TAG /// 07. Dezember 2019 /// Medea Ich, ich, ich, ich!
Medea als modernes Beziehungsstück in dem sich niemand so recht ernst nimmt.
Medea heißt jetzt Andrea, trägt einen eleganten Lederrock und High Heels und befindet sich in unfreiwilliger Trennung von ihrem Anzug tragenden Mann Walter. Der hat eine neue, Elisa aus gutem Haus, und sucht nun dringend nach einem Grund seine Ex-Frau loszuwerden. Über all dem steht noch Elisas Vater, ein stadtbekannter und einflussreicher Mann. Dank Andreas aufbrausendem Temperament ist auch schnell eine einstweilige Verfügung da und jetzt wird es interessant. Denn in diesem Stück geht nicht nur Walter fremd und die Zügel hat sowieso eine ganz andere Person in der Hand.
Die Inszenierung von Gernot Plass beginnt eigentlich mit dem Ende des Klassikers von Euripides. Auf das Kennenlernen und die gemeinsame Flucht wird zwar immer wieder rückwirkend verwiesen, aber wie es zu der Entfremdung zwischen Andrea und Walter kommt, erfahren die Zuseher*innen nicht. Allerdings besteht keine Notwendigkeit das Original zu kennen. Der eine oder andere Witz versteht sich bestimmt besser, aber das Stück arbeitet mit ausreichenden Männer-Frauen-Klischees und mutet zeitweise wie eine Beziehungskomödie von Woody Allen an. Das Ende erinnert dann aber an Quentin Tarantino.
“Ich bin abgeschoben.”
Andrea muss das Land dann verlassen, es ist von einer “unsicheren Route” die Rede. An aktuellen Themen wird hier allgemein nicht gespart. Flucht, Abschiebung, Kolonialismus, Patriarchat, mangelnde Frauensolidarität und Genderthemen werden hier bunt in die Handlung geworfen. Andrea wird einmal als starke Frau beschrieben, die aus eigenem Willen mitgekommen ist, um dann in der nächsten Szene wieder ein Flüchtling, ein Opfer einer kolonialen Politik zu sein. So ganz kann sich die Regie hier nicht entscheiden, manche Zeitbezüge funktionieren als Erweiterung des Stückes, da aber kein Thema ernsthaft verfolgt wird, verlieren sich die losen Enden bald wieder. Die Gesellschaftskritik funktioniert allerdings wunderbar. Hier wird eine Gesellschaft dargestellt, in der Selbstoptimierung über allem steht und Emotionen nach Möglichkeit aus uns heraus geschrieben werden sollen.
Fazit: Eine Komödie, in der die dramatischen Stellen merkwürdig deplaziert wirken. Dem Publikum hat es gut gefallen, für einen unterhaltsamen Abend sehr zu empfehlen.
MEDEA ICH, ICH, ICH, ICH!
Uraufführung
Von Gernot Plass
Sehr frei nach Euripides
Text und Regie: Gernot Plass | Ausstattung: Alexandra Burgstaller | Musik: Dr. Plass | Regieassistenz: Renate Vavera | Regiehospitanz: Alexander Schlögl | Kostümbetreuung: Daniela Zivic | Maske: Beate Lentsch-Bayerl | Ton: Peter Hirsch | Licht: Hans Egger, Katja Thürriegl | Bühnentechnik: Andreas Nehr | Schauspiel: Michaela Kaspar, Julian Loidl, Lisa Schrammel, Jens Claßen
Mehr Informationen hier: http://dastag.at/produktionen/medea/.
Fotos: © Anna Stoecher