TAG /// 24. November 2023 /// Heinrich V.
Krieg im 15. Jahrhundert unter Heinrich V. erinnert an die Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert – übertragen von Gernot Plass im TAG mit neuen Aspekten.
Ein Krieg muss mal wieder her! Davon überzeugen seine Berater, allen voran der Erzbischof von Canterbury (Jens Claßen), den englischen König Heinrich V. (Raphael Nicolas). Ein Grund (die Thronfolge über das Salische Gesetz) und ein Vorwand (terroristischer Anschlag) sind schnell gefunden und so setzt das britische Heer nach Frankreich über. Die militärischen Erfolge sollen sich aber nicht einstellen und die Soldaten leiden an “Dünnpfiff”, doch dann hat der jugendliche König eine brillante taktische Idee und eine noch bessere Propagandamaschinerie.
“Bist du pleite, schau beim Nachbarn vorbei.”
Wie gewohnt wird am TAG ein Theaterklassiker in die Aktualität überschrieben, Gernot Plass´ Interpretation von Heinrich V. entspricht im Unterschied zu anderen Stücken dieses Hauses Großteils dem Handlungsablauf von Shakespeares Original und es gibt weniger Gegenwartsverweise. Diese sind aber auch nicht notwendig, um sich der erschreckenden Aktualität von Krieg bewusst zu werden, zum Zeitpunkt der Premiere im November 2023 noch mehr als während der Stückentwicklung. Die angemessene Ergänzung stellen aber der mediale Aspekt und die sozialen Medien dar, welche eine wichtige Rolle in Kriegen des 21. Jahrhunderts spielen. Der Pressesekretär (Andreas Gaida) ist live dabei und macht Selfies mit den gehängten vermeintlichen Verschwörern. Davor wurden erfolgreich Kampagnen zur Rekrutierung und Slogans gesponnen, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit dieses Krieges zu überzeugen.
“Verhandeln ist peinlich”
Überraschend gut kommt der König selbst weg: Er hatte zu Beginn Skrupel gegenüber dem Krieg, sucht währenddessen den Kontakt zum gemeinen Volk und zeichnet sich schließlich sogar als gewiefter Stratege aus. Manchmal denkt man, dass Heinrich V. in Wahnsinn verfällt, wenn er in Schimpftiraden und Schreien ergeht, doch er fasst sich immer wieder. Der König rückt einem auch näher, weil er durchaus “moderne” Schimpfwörter von sich gibt, die so im 15. Jahrhundert bestimmt noch nicht verwendet wurden. Der schwache Punkt von Heinrich V. jedoch ist die Grausamkeit, als er vermeintliche Verschwörer ohne Verhandlung hängen und sämtliche Gefangene brutal töten lässt.
Fazit: Ein gewohnt starkes Ensemble und ein großartiger Text übertragen zeitlose Themen auf überzeugende Weise in die Gegenwart, auch wenn manche Aspekte (das Verhältnis des Königs zum Volk, das Trauma der Soldaten) zwar angerissen, aber nicht weiter ausgeführt werden.
Heinrich 5
Von Gernot Plass
Frei nach William Shakespeare
Text: Gernot Plass | Regie: Gernot Plass | Ausstattung: Alexandra Burgstaller | Sound: Dr. Plass | Dramaturgie: Tina Clausen | Licht: Katja Thürriegl | Video: Peter Hirsch | Regieassistenz: Renate Vavera | Regiehospitanz: Frederic Ostrowski, Luca Pümpel | Kostüm- und Requisitenbetreuung: Daniela Zivic | Tontechnik: Peter Hirsch | Bühnentechnik: Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer
Schauspiel: Jens Claßen, Andreas Gaida, Markus Hamele, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert
Mehr Informationen hier: Heinrich 5 – dasTAG.at
Nächste Aufführungen: Di 23. Jänner, Mi 24. Jänner 20h
Fotos: © Anna Stöcher