Burgtheater /// 19. Oktober 2019 /// Die Edda
Die isländische Version der Urgeschichte der Welt, „Die Edda“, kann in dem Leben jedes Menschen wiedererzählt werden. Mut, Liebe, Krieg und Frieden sind universal verstandene Motive, hier besonders spürbar durch die starke musikalische Untermalung der Inszenierung.
Als große Island-Bewunderin bin ich schon vor der Aufführung aufgeregt. Ein die Bühne einhauchender Nebel, welcher bis in die ersten Reihen spürbar ist, verschmilzt mit der auf Isländisch berührend gesungenen Völuspa, der Weissagung der Seherin (Elma Stefania Agustsdottir). Als die emotional besungene Sage von der Entstehung der Götterwelt aus dem Nichts (Isländisch: Ginnungagap) und ihrem Untergang (Ist.: Rögnarak) endet, wird auch plötzlich die unsichtbare, vierte Wand zwischen Publikum und Bühne durch eine direkt an die Zuschauer_innen gerichtete Erzählebene gebrochen.
In vielen weiteren Elementen ist dieses Einbeziehen des Theaterpublikums spürbar: Ein gespieltes Cello wird als Bühnenrequisit erklärt, es gibt Referenzen zur finanziellen Situation im Theater-Business, Anspielungen auf die traurige Wahrheit, dass das Theater oft nur „Eliten“ erreicht und Poesie doch verbinden solle. Außerdem werden etliche Mitarbeiter_innen des Theaters, die normalerweise hinter den Kulissen stehen, aktiv auf der Bühne einbezogen. Sie bauen auf, räumen ab, kleiden ein und werden zwischenzeitlich als Figuren der Mythenerzählungen beschrieben.
Diese Verbindung zum Publikum ist auch in der Zugänglichkeit des Edda-Mythos im Leben realer Menschen wiederzufinden. Im Leben des Torf Geirmundsson, dem Vater des Autors dieses Stückes (Michael Torfason) ist Mut, keine Reue und die Verbindung zur Natur zu erkennen. In diesem zweiten, autobiographisch inspirierten Teil der Aufführung wird der isländische Held Gunnar durch alternierende Erzählsprünge mit dem echten Menschen Torf verglichen. Hier spätestens merkt der_die Zuschauende die tiefe Verbundenheit der isländischen Sprache und Kultur mit dem Edda-Mythos, der eine Geschichte ist, die sich immer wieder durch das Leben weitererzählen lässt.
Untermalt werden berührende Szenen von Tod und Hoffnung, Kampf und Ehre durch eine unglaublich melodische und stark dominierende, erzählende Musik von Gabriel Cazes.
Manche Szene werden durch viele intertextuelle Elemente mit aktuellen Bezügen ergänzt. Schade ist, dass diese aufgrund des fehlenden Kontextes nicht immer klar zu verorten sind.
Fazit: Die von Thorleifur Öre Arnasson gestaltete Inszenierung is pompös, überrascht, interessant und nicht nur wegen der Musik einen Besuch wert.
DIE EDDA
Neu erzählt von Thorleifur Öre Arnasson und Mikael Torfason
Premiere der Wiener Fassung
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson
Text: Thorleifur Örn Arnarsson, Mikael Torfason
Bühne: Wolfgang Menardi
Kostüme: Karin Briem
Musikalische Leitung: Gabriel Cazes
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Anika Steinhoff, Judith Gerstenberg, Johannes Kirsten
Übersetzung: Damian Dlaboha
Choreinstudierung: Nils Strunk
Skapanorn / Hel: Elma Stefania Agustsdottir
Freyr / Baldur: Jan Bülow
Gabriskyr: Gabriel Cazes
Die Völva / Riesin / Embla / Frigg: Dorothee Hartinger
Odin / Ask / Mikael: Markus Herting
Skuld / Gerd / Elli: Marie Hörbiger
Fenriswolf: Stacyian Jackson
Midgardschlange: Marta Kizyma
Bergelmir / Mimir / Erklärbar / Thrymur / Galar: Dietmar König
Verbands / Sif / Thor: Marie-Luise Stockinger
Loki: Florian Teichtmeister
Urd / Freyja: Andrea Wenzl
Fotos © Matthias Horn
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