Burgtheater /// 12. September 2024 /// Holzfällen
Nicholas Ofczarek bringt gemeinsam mit der Musikgruppe Franui Thomas Bernhards Holzfällen ins Burgtheater.
Der Ich-Erzähler von Holzfällen sitzt während einer Zusammenkunft von Bekannten aus dem Wiener Kunstmilieu zurückgezogen in einem Ohrensessel. Eingeladen wurde er vom Ehepaar Auersberger, mit dem er seit zwei Jahrzehnten keinen Kontakt mehr hatte. Die geladenen Gäste warten gespannt auf die Ankunft eines Burgschauspielers. Der Erzähler beobachtet die „künstlerische Gesellschaft“ und rechnet mit sarkastisch-bösen Gedanken mit ihnen ab.
1984, kurz nach der Veröffentlichung, löste Holzfällen einen Skandal aus. Der Komponist Gerhard Lampersberg erkannte sich in der Figur des Herrn Auersberger und reichte eine Ehrenbeleidigungsklage ein, was zur zeitweiligen Entfernung des Buches aus den österreichischen Buchhandlungen führte. Heute hingegen sorgt Holzfällen im Burgtheater für lautes Gelächter, besonders dank der ironischen Kommentare über den Burgschauspieler, die Nicholas Ofczarek gekonnt selbstironisch darbietet.
DIE LESUNG:
Anstatt in einem Ohrensessel sitzt Nicholas Ofczarek in einem schwarzen T-Shirt auf einem Holzstuhl. Mit schauspielerischer Höchstleistung liest er den Text von Thomas Bernhard vor. Jede Silbe wird gekonnt betont, jede emotionale Regung präzise ausdrucksstark dargeboten. Die emotionalen Nuancen sind bis ins Detail einstudiert. Bernhards rhythmischer Text, der oft aus dynamischen Gefühlsregungen besteht. Wenn sich der Erzähler von der künstlerischen Gesellschaft irritieren lässt, erhöht Ofczarek seine Tonstärke. Wenn er Passagen vorliest, in denen es um die alte Freundin des Erzählers, Joana, geht, die sich kürzlich das Leben genommen hat und deren Begräbnis am Vormittag stattfand, hört man die Melancholie in Ofczareks Stimme. Es ist ein Genuss, dem Burgschauspieler zwei Stunden lang zuzuhören.
DIE MUSIK:
Musikalisch begleitet wird die Lesung vom aus Tirol stammenden Kammerensemble Franui. Mit dem Vertonen von literarischen Texten kennt sich die zehnköpfige Musikgruppe bestens aus. Schon oft arbeitete Franui mit internationalen Schauspielern zusammen und erweckte mithilfe der Musik die Literatur neu zum Leben. Holzfällen passt perfekt in Franuis Repertoire. Sie haben sich auf das Neuinterpretieren der Volkslieder von Schubert, Brahms, Mahler u.v.m. spezialisiert. Dazu gehören auch Trauermärsche. Das heißt, von der geselligen Gesellschaft bis zum Begräbnis in Holzfällen ist mit musikalischer Vielfalt gesorgt.
DIE MUSIKALITÄT VON HOLZFÄLLEN:
In Thomas Bernhards Leben spielte die Musik eine große Rolle. Schon in seiner Kindheit lernte er Klavier und Geige. Später studierte er Musik am Mozarteum in Salzburg. Es ist daher kein Wunder, dass Musik in seinen Texten einen hohen Stellenwert genießt. Der Gastgeber Auersberger in Holzfällen ist immerhin Komponist und verwöhnt seine Gäste mit seinem musikalischen Können am Klavier. Aber nicht nur thematisch spielt Musik in Holzfällen eine Rolle. Bernhard achtete stets darauf, eine rhythmische Prosa zu kreieren. So kommt es in Holzfällen oft vor, dass sich ein Satz über eine Seite streckt. Nach langen, verschachtelten Sätzen folgen oft kurze Hauptsätze. Auch Wortwiederholungen baut Bernhard ein. Zum Beispiel kommt die Phrase „… dachte ich auf dem Ohrensessel …“ immer wieder vor. Verschiedene Themen werden stets neu aufgegriffen. Der Erzähler schweift von seinen Beobachtungen der versnobten Künstlergesellschaft in Erinnerungen an seine Jugend, alte Beziehungen und das Begräbnis von Joana ab.
Die rhythmische Musikalität von Bernhards Prosa findet daher ihre perfekte Ergänzung in Franuis neu interpretierten Volksliedern und Trauermärschen, die mit Ofczareks Vortrag perfekt abgestimmt ist.
© Tommy Hetzel
In Verbindung mit einem talentierten Schauspieler, einer talentierten Musikgruppe und einem abwechslungsreichen Licht- und Nebenspiel, kreiert von Paul Grilj, wird Holzfällen im Burgtheater zu einer äußerst gelungenen Lesung, in der seine dramatischen Höhepunkte meisterhaft unterstrichen werden. Dem großartigen Werk von Thomas Bernhard wird alle Ehre erwiesen.
Holzfällen von Thomas Bernhard
Komposition & Musikalische Bearbeitung: Markus Kraler, Andreas Schett
Textfassung: Tamara Metelka, Andreas Schett
Licht: Paul Grilj
Mit: Nicholas Ofczarek und Musicbanda Franui
Mehr Informationen unter HOLZFÄLLEN – Burgtheater Wien
Fotos: © Tommy Hetzel