Am Theater an der Gumpendorferstraße hat Gernot Plass sein eingespieltes Ensemble frisch und frei an Heinrich von Kleist herangeführt. Herausgekommen ist ein extrem witziges Stück über die romantische Vorstellung der Liebe, das Geheimnis zwischen Vernunft und Wahnsinn und (hoffentlich bald) veraltete Männerphantasien. Ein ‚Männertheater‘ mit Nancy Mensah-Offei und Elisabeth Veit – verdammt lustig!
Wer oder was ist dieses “Käthchen”? Eine Männerphantasie? Eine Puppe? Eine Verzauberte? Eine Süchtige? “Belehre mich, Gebieter!”, sagt die junge Frau, das Mädchen (phänomenal ambivalent: Nancy Mensah-Offei) zum Protagonisten Graf Wetter vom Strahl (treffsicher zwischen verständlich und unheimlich changierend: Raphael Nicholas), als sie als Zeugin und Betroffene vor das Hohe Gericht zitiert wird. Ist sie seine Geliebte? Seine Geisel? Ist sie überhaupt ein Mensch?
Gernot Plass’ uneitle und frische Neu-Entwicklung des Kleist-Stoffes macht sich in zugänglichem Humor über den (männlichen) Habitus des 19. und 20. Jahrhunderts lustig – und betreibt damit gleichzeitig feministische Kritik an der heutigen Gesellschaft.
Vier weiß geschminkte Weiße Männer stehen da vor einem halb-ernst gemeinten Hohen Gericht herum und diskutieren über die Verhaltensweisen einer Frau, die unprivilegiert in mehrfacher Hinsicht ist. Sie ist durch ihren Vater vertreten, gehört der unteren Gesellschaftsschicht an, ist vermeintliches Missbrauchsopfer und – nicht anwesend. Die leichte, humoristische Herangehensweise, mit der Mensah-Offei sich ihrer Figur nähert, distanziert sich vom fremdzugeschriebenen Opferstatus. Das ist sehr lustig.
Möglicherweise kommt vor allem im zweiten Teil der Plass’sche Humor etwas zu slapstick-artig daher. Mir macht das alles sehr viel Spaß. „Raphael Nicholas spinnt herrlich.“ notiere ich mir während des Stückes unter lautem Lachen. Auch gefällt mir, dass so viele unterschiedliche Männlichkeiten vorkommen: Machistische und tussige, väterliche und sexuell erregte, komplizenhafte und reflektierende. Eigentlich kann man „(Ein) Käthchen-Traum“ im besten Sinn als Männertheater bezeichnen. Da passt der Slapstick hervorragend hinein: In die Thematisierung antiquierter Männlichkeiten.
Die Tanten, Ganovenkomplizen und Kunigunde lässt Plass comichaft überzeichnen und stellt damit ihre fiktive Konstruktion aus. Fantastisch zu beobachten ist Elisabeth Veit als Jessica-Rabbit-Verschnitt, in rotem Kleid, mit beständigem Blick ins Publikum um Aufmerksamkeit buhlend und auch schon mal an der Gogo-Stange über ihren Zugriff auf eine bestimmte Form von geltungssüchtiger Männlichkeit reflektierend. Erst am Ende bricht sie selbst aus ihrer Rolle aus und schreit, perfekte Feministin, im Abgang in die Runde: „Männer! Haut euch die Schädel ein, brennt mit die Bude ab und redet dann von Engeln noch!“ Ich liebe sie.
Und noch ein Gustostückerl aus der Plass’schen Überarbeitung:
„Das sind doch keine Menschen!“ – „Ich bin eine psychologisch angelegte und komplexe Frauenfigur.“ (Georg Schubert als Comic-Tante)