Burgtheater /// 07. Oktober 2019 /// Faust
Faust und Mephisto stellen sich durch kleine Monologe vor, bevor es nach etwa zehn Minuten Spielzeit richtig zur Sache geht: BUMM – Feuer schießt aus dem Bühnenbild, das wie eine Mischung aus Steinbruch, Gefängnis und Bahnhof aussieht.
Faust versucht in seiner Verzweiflung, noch nicht alles Wissen der Welt erlangt zu haben, Selbstmord zu begehen. In letzter Minute wird er von seinem Assistenten Wagner davon abgehalten. Danach sieht man eine Liebesorgie bei der sich alle Beteiligten verführen. Es folgt ein Bruch: Es sind Schüsse zu hören und alle laufen panisch durcheinander. Einer von vielen Momenten der Inszenierung in dem sehr sprunghaft von einer Szene in die nächste gewechselt wird und etwas Verwirrung hinterlässt.
Die Musik vom Anfang bis zur Pause setzt sich aus Partymusik und leise dahinfließenden Sequenzen zusammen. Letztere lassen entspannen, stimmen aber zugleich nachdenklich. Man reflektiert, was gerade auf der Bühne passiert ist. Doch das Sounddesign erzeugt durch das komplette Stück hindurch auch eine spürbare Spannung. Das wenig beleuchtete Bühnenbild unterstützt das Spannungsgefühl. Man weiß nicht, was als nächstes kommt. Sukzessive entsteht die Atmosphäre eines Horrorfilms. Ein bisschen dosiertere Spannung hätte wohl gut getan: Denn wenn man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, darauf gefasst zu sein, das man im nächsten Moment nicht erschrickt, ist es schwer sich auf das Stück zu konzentrieren.
Das Stück dreht sich mit und um das Bühnenbild, das ein klares Zentrum in der Inszenierung bildet. Durch die vielen verschiedenen Eckpunkte des Bühnenbildes und die teils schnellen Szenenwechsel fällt es schwer, die Symbolkraft des Bühnenbildes wahrzunehmen und diese in das Stück zu integrieren.
Nach der Pause wird das Stück schneller und realer. Man fühlt sich, als könnten die gespielten Situationen genau so stattfinden. Auch die Thematik eines Krieges in Zeiten, in denen Terrormilizen wie beispielsweise der IS aktiv sind, wird nach einem abermals schnellen Szenenwechsel etwas kontextlos dargebracht. Die Regieentscheidung, Kinderdarsteller auf die Bühne zu schicken, die einen Bombengürtel umgebunden bekommen, wieder von der Bühne gehen um danach eine Detonation einzuspielen, ist in meinen Augen unangebracht! Denn es ist grotesk, Kindern die mit ihrem Alter noch nicht einmal verstehen, was sie da genau spielen oder welche Emotionen sie damit hervorrufen, derart auftreten zu lassen. Und danach wieder ein Szenenwechsel, der die vorangegangene Situation ohne Erklärungen oder Kommentare stehen lässt, erzeugt ein unangenehmes Gefühl im Saal. Die Reaktion des Publikums war eindeutig – einige Personen haben daraufhin den Saal verlassen.
Die Inszenierung ist spannend durch die Eigendynamik der Szenen und die Gestaltung des Bühnenbildes, wirkt allerdings vor allem nach der Pause etwas größenwahnsinnig, da man das Gefühl bekommt, dass versucht wurde, immer mehr Szenen unter immer schnelleren Wechseln noch vor Ende des Stückes unterzubringen. Die Inszenierung weckt auf, rüttelt wach, macht klar … was man nicht wahrhaben will. Das ganze Stück hindurch sieht man das Abbild einer dynamischen Gesellschaft, die zu schnell lebt. So schnell, dass man nichts aufhalten kann. Alles passiert – unweigerlich. Faust hält uns den Spiegel vor. Das Publikum sieht von außen, wie die Menschen lieben, sich hingeben und sich überrollen mit den allgegenwärtigen Trieben, die man bei einer derartigen Geschwindigkeit mit der viele Personen durch das Leben gehen, kaum kontrollieren kann.
Fazit: Eine schnelllebige Inszenierung mit vielen Brüchen, die manchmal überraschend, manchmal erschreckend sind. Ein dominanter Auftritt des neuen Intendanten des Burgtheaters Martin Kusej. Das Stück ist empfehlenswert, denn es ist sehr interessant zu sehen, wie viele unterschiedliche Facetten man von den Figuren und generell diesem fast schon historischen Stoff der Geschichte des Dr. Faustus zu sehen bekommt!