Burgtheater Wien /// 16. Juli 2019 /// Masurca Fogo
Der Ursprung des Tanztheaters spielt im Burgtheater und ganz Wien scheint zu kommen. Das Stück zeigt mit sanfter Poetik zwischenmenschliche Beziehungen, ohne sich dabei einem kontroversen Thema zu widmen.
Masurca Fogo zu sehen ist wie ein Stück Tanzgeschichte zu erfahren, vieles heute längst Verbreitetes hat hier seinen Ursprung, in dieser Tanztruppe, mit dieser Choreografin. Die Stücke von Pina Bausch gelten als radikal, was für dieses nicht gesagt werden kann. Das liegt wohl auch an der Koproduktion mit der EXPO 98 Lissabon und dem Goethe-Institut Lissabon.
Masurca Fogo ist ein Stück über Frauen und Männer. Wir sehen Mütter, Töchter, Freundinnen, Ehefrauen, Geliebte, Söhne, Väter, Liebhaber, Ehemänner (und so weiter) auf der Bühne. Ein kontroverses Thema wird nicht angeschnitten, wir sehen viele kleine Episoden des zwischenmenschlichen Miteinanders, von denen anzunehmen ist, dass sie aus dem portugiesischen Alltag stammen. Dabei tragen die Frauen Blumenkleider oder Nachthemden und haben alle lange Haare. Die Männer treten im Kurzhaarschnitt in Hemd und Hose auf. Lissabon vor zwanzig Jahren muss ein sehr konservativer Ort gewesen sein.
Wunderschön dagegen die Bildkraft der Szene von Breanna O’Mara und Julian Stierle. Auf der minimalistisch gehaltenen Bühne, die ganz in weiß mit einem schwarzen Lavagesteinhügel den Rahmen bildet, tanzen die beiden getrennt voneinander und doch zusammen zu einer Instrumentalversion von Kraftwerk „Das Model“. Das Bühnenlicht lässt das Publikum Licht und Schatten erfahren und zieht uns hinein in eine andere Welt, eine andere Möglichkeit zu sein.
In einer Kunstform, wo Tänzer_innen ab vierzig Jahren meist nur noch unterrichtend in Erscheinung treten, ist es besonders schön zu sehen, dass viele Tänzer_innen von Masurca Fogo bereits Teil der Uraufführung waren. Zusammen mit den neuen Ensemble-Mitgliedern lassen sie Pina auferstehen, ihre Wertschätzung für jede_n einzelne_n steht sichtbar im Raum.
Am Ende wundere ich mich allerdings nur noch über die Henne im Stück. War diese echt? Und wenn ja, was wird aus ihr nach dem Stück? Sind Tiere, die weder an Menschen noch an Bühnenauftritte gewohnt sind, notwendig auf der Bühne? Beim ersten Auftritt hat die Henne noch die Aufmerksamkeit des Publikums zurückgewonnen, beim zweiten fragt man sich nur noch, wo der Tierschutz bleibt oder ob dass das radikale Element hätte sein sollen.
Fazit: Die österreichische Erstaufführung dieses zwanzig Jahre alten Klassikers langweilt die einen und begeistert die anderen. Die Wiederholungen und vielen langsamen Szenen können zu einer Herausforderung werden in einer Welt, wo Schnelligkeit überwiegt. Die inszenierten Bilder sind allerdings von einer kinematografischen Schönheit mit so manch unerwarteter Komik.
MASURCA FOGO
Österreichische Erstaufführung
Ein Stück von Pina Bausch
In Koproduktion mit EXPO 98 Lissabon und Goethe-Institut Lissabon
Inszenierung, Choreografie: Pina Bausch, Bühne: Peter Pabst, Kostüme: Marion Cito, Musikalische Mitarbeit: Matthias Burkert, Andreas Eisenschneider, Mitarbeit: Marion Cito, Irene Martinez-Rios, Jan Minarik, Probenleitung: Azusa Seyama, Robert Sturm
Mit: Pablo Aran Gimeno, Ruth Amarante, Emma Barrowman, Rainer Behr, Andrey Berezin, Cagdas Ermis, Jonathan Fredrickson, Ditta Miranda Jasjfi, Milan Nowoitnick Kampfer, Daphnis Kokkinos, Christiana Morganti, Breanna O’Mara, Nazareth Panadero, Azusa Seyama, Julie Shanahan, Blanca Noguerol Ramirez, Oleg Stepanov, Julian stierle, Michael Strecker, Fernando Suels Mendoza, Aida Vainieri
Musik: Amalia Rodrigues, Nicolette, The Alexander Balanescu Quartett, Ben Webster, Lisa Ekdahl, Duke Ellington, Leon Parker, Mecca Bodega, Vince Guaraldi, Tupi Nago, Marcos Suzano, Baden Powell, Radamés Gnattali, Gidon Kremer, Rui Junior, Alfredo marceneiro u.a.
Aufführungsrechte: Verlag der Autoren für die Pina Bausch Foundation
Uraufführung: 4. April 1998, Schauspielhaus Wuppertal
Fotos: © Karolina Miernik, Emilia Milewska.
Mehr Informationen hier: https://www.impulstanz.com/performances/2019/id1267/.