Dschungel Wien /// 19. Februar 2020 /// Frühlingserwachen
Die Darbietung der Schüler*innen der 11. Schulstufe sprengt alle Erwartungen! Eine drehbare Scheibe in der Bühnenmitte, zwei schlichte Schaukeln und eine Leiter werden zur Spielwiese, auf der die Darsteller*innen sich mit Themen wie Lust, Liebe oder Leidenschaft beschäftigen.
Die Hauptcharaktere von Frank Wedekinds “Frühlingserwachen” sind die Jugendlichen Melchior, Wendla und Moritz, die gemeinsam mit ihren Klassenkamerad*innen das erste Aufkeimen der Pubertät erleben, das von deren Eltern nur sehr ausweichlich, wenn überhaupt, adressiert wird. Die Jugendlichen ringen mit sich und müssen allein ihr Auskommen mit den neuen Emotionen finden. Das gelingt nicht jedem der Charaktere: Moritz erschießt sich schließlich selbst und Wendla stirbt an den Folgen einer Abtreibung.
Das Stück kann man schon fast als all time classic bezeichnen, wenn es um Schultheater geht. So hat sich auch Regisseur Cornelius Edlefsen gemeinsam mit den Schüler*innen der 7. Klasse des BORG Hegelgasse 12 auf die Reise durch Liebe, Begehren, Lust und mehr begeben.
Durch die live gespielte Musik, welche einige Pop Balladen der letzten Jahre sowie ein selbst geschriebenes Stück einer Darstellerin enthält, wird die Produktion getragen. Die Stimmen der Jugendlichen sind ungeheuer berührend und lassen das Publikum nachempfinden, wie es den Charakteren mit ihren Gefühlen geht. Auch vor musikalisch anspruchsvollen Passagen schrecken die Jugendlichen nicht zurück. Ganz im Gegenteil zeigen sie, wie präzise und einnehmend die Musik einer Produktion sein kann.
Auf der Bühne stehen insgesamt 23 (!!!) Jugendliche, die eine Dynamik in das Stück einbringen, die sich in der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen im 21. Jahrhundert wiederfindet. Die gebündelte Energie überrollt die Zuschauer*innen bereits in den ersten Minuten wie eine Dampfwalze. Aus Dynamik ergibt sich Bewegung und daraus Choreografien, die in diesem Stück essentiell sind. Manche Sequenzen werden ausschließlich tänzerisch dargeboten. Beeindruckende Körperbeherrschung trifft hier auf selbst entwickelte Choreografien der Spielenden.
Ein äußerst dichter wie präziser Sprechchor, der als fixes Element an mehreren Stellen der Handlung zum Einsatz kommt, legt die verschiedenen Bedeutungen der chorisch inszenierten Textpassagen und Charakteren offen.
Die Schüler*innen bringen ihre eigenen Sprechtexte zu den Thematiken des Stückes mit ein oder übersetzen teilweise den Originaltext in modernere (Jugend-)Sprache. Es wird schnell klar, was von den Schüler*innen kommt, und welche Textpassagen einfach nur in andere Wörter „übersetzt“ wurden. Der Originaltext von Wedekind kommt als riesiger Bauklotz zwischen das ergreifende Intro und den Schluss und hört sich befremdlich an. Dieser riesige „Mittelteil“ schwächt die Authentizität des Stückes massiv, bis kurz vor dem Schluss wieder ein fesselnder Song die Handlung ergänzt.
Fazit: Eine beeindruckende und zugleich berührende Produktion, die mit einer enormen Präzision und Intensität gespielt wird. Musikalisch grenzgenial, mit einer Message am Schluss, die einschlägt: „Wir können alles sein, wir dürfen alles wollen!“. Einzig der Originaltext wirkt neben den Texten, Tänzen und musikalischen Einlagen der Jugendlichen etwas fehl am Platz.
Es spielen: Emma Berghold, Lea S. Echtermeijer, Lino Eckenstein, Astrid T. Fabian, Ella M. Fliri, Saveria E. Frühmann, Alma Grausam, Lukas J. Hagenauer, Klara Hatter, Anton C. Hörmann, Florian Klingler, Nefeli Koptsas-Anastassiou, Hannah Kuhn, Sabrina Lang-Muhr, Tarina Mair, Jasmin Safadi, Clara Schmoll, Paula Spitzy, Alessa K. Steiner, Lena Strobl, Anna S. Weber, Amelie Winter, Lena Wolsegger
Regie: Cornelius Edlefsen
Musikalische Leitung: Theresa Bannholzer
Leitung Bühne und Kostüm: Sascha Reichstein, Ramona Zdarsky
Leitung Choreographie: Lino Eckenstein, Amelie Winter, Emma Berghold
Leitung Maske: Ella M. Fliri, Nefeli Koptsas-Anastassiou, Clara Schmoll, Anna S. Weber
Bühnenbildassistenz: Emma Berghold, Lea S. Echtermeijer, Lino Eckenstein, Sabrina Lang-Muhr, Tarina Mair, Alessa K. Steiner
Kostümassistenz: Alma Grausam, Lukas J. Hagenauer, Klara Hatter, Jasmin Safadi, Paula Spitzy, Amelie Winter, Lena Wolsegger
Regieassistenz: Nefeli Koptsas-Anastassiou, Lena Strobl
Requisite: Astrid T. Fabian, Saveria E. Frühmann, Anton C. Hörmann, Florian Klingler, Lena Strobl
Weitere Infos zu dem Stück findest du hier: Klick!
Fotorechte: © Rainer Berson