WERK X /// 03. Mai 2019 /// Je suis Fassbinder
Das WERK X präsentiert Falk Richters Text aus dem Jahr 2016, der auf intermedialer Ebene die Dreharbeiten zu Fassbinders Film “Deutschland im Herbst” mit aktuellen politischen Diskursen verwebt.
Als Rahmenhandlung können grob Dreharbeiten gesehen werden, die Schauspieler_innen spielen Schauspieler_innen, wobei die Grenzen zwischen Film und Realität verschwimmen: Szenen werden wiederholt, verändert und improvisiert, ohne, dass die Zuschauer_innen wissen, was der Originaltext ist. Die Akteur_innen nehmen verschiedene Rollen ein und geben ihre Meinung zu politischen Themen ab, verlangen jedoch auch von dem Regisseur nach einem Skript. Dazwischen folgen Szenen aus Fassbinders Film und solche über die zwischenmenschlichen Beziehungen der Besetzung.
All die unterschiedlichen Ebenen und Rollen können verwirrend sein, jedoch gelingt es der Regisseurin Amina Gusner ein kurzweiliges und unterhaltsames Stück zu liefern. Untermalt werden die Emotionen mit der live gespielten Musik von Andreas Dauböck, der unterschiedliche Instrumente spielt.
Die aktuellen politischen Debatten nehmen allerdings nicht den Raum ein, welchen die Stückinformation angekündigt hat. Die Aktualität findet Platz vor allem zu Beginn des Stückes, unter anderem in einer sehr starken Szene, in denen die Schauspieler_innen im Sprechchor angelehnt an “Je suis Charlie” sich mit unterschiedlichen Personen identifizieren und dabei klare Botschaften setzen sowie zum Reflektieren anregen. Dabei repräsentieren sie als Gruppe, die sich gemeinsam durch den Raum bewegt, eine Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Positionen. Danach beschränkt sich der politische Bezug des Stückes jedoch auf das Schreien von Meinungen der Rechten: Auch wenn dies zum Nachdenken motivieren soll, ist es auch gefährlich, die hetzerischen Botschaften unkommentiert stehen zu lassen.
Das Stück möchte jedoch seine gesellschaftliche Bedeutung auch durch die Metapher des Filmes vermitteln: Der Regisseur ist der “starke Führer”, nach dem sich die Schauspieler_innen als Bürger_innen sehnen. Wenn diese von Rainer Werner Fassbinder fordern: “Gib mir Text”, könnte man dies auch als “Gib mir Meinung” interpretieren, um sich vor einer eigenen Auseinandersetzung und Meinungsbildung zu drücken.
Doch selbst wenn man diese metaphorische Ebene bedenkt, wird der angepriesene Zusammenhang zwischen Fassbinders Film “Deutschland im Herbst” vor dem Hintergrund des RAF-Terrors in den 70er-Jahren und der heutigen politischen Lage nicht ersichtlich. Schade ist auch, dass es das Stück verabsäumt hat, dem Publikum jene Informationen zu Fassbinder und seinem Werk mitzugeben, welche für das Verständnis erforderlich gewesen wären – Erst am Ende wird der Bezug auf “Deutschland im Herbst” erklärt.
Fazit: Unterhaltsamer, innovativer Film im Theater , dem es allerdings an dem angekündigten politischen Inhalt mangelt.
JE SUIS FASSBINDER
Text: Falk Richter unter Verwendung von Originaltexten von Rainer Werner Fassbinder
Inszenierung: Amina Gusner
Bühne und Kostüm: Inken Gusner
Musik: Andreas Dauböck
Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf
Darsteller_innen: Annette Isabella Holzmann, Lisa Weidenmüller, Christoph Griesser, Martin Hemmer, Arthur Werner, Andreas Dauböck
Fotos: Matthias Heschl
mehr Informationen hier: http://werk-x.at/produktion/je-suis-fassbinder