WerkX/Petersplatz /// 14. März 2019 /// Sohn. Angenommen, du bist die Mutter eines Radikalen.
Anekdoten über einen einst so sensiblen Buben sind von einem einseitigen Dialog mit einem Identitären durchzogen: In Eva Hofers und Ed. Hauswirths Stück wird sehr konzentriert danach gefragt, wie ein´s zum anderen führen kann und was das als Angehöriger_m mit einem macht.
Eva Hofer spielt eine Mutter, die versucht, nachzuvollziehen, wie ihr Sohn Teil der Identitären-Bewegung werden konnte, wo sie doch laut ihm eine „zu spät geborene 68erin“ sei. Die Mutter wechselt zwischen Anekdoten und einem einseitigen Dialog mit ihrem Sohn. Die Anekdoten über die Kindheit des Sohns lassen erkennen, dass er ein lieber und sensibler Bub gewesen ist, dass jede_r radikalisiert werden kann, dass man nicht als Identitärer geboren wird. Diese Geschichten bringen diesen Menschen näher, der mir auf persönlicher Ebene und auch konkret in diesem Stück so fremd und fern ist. Der Sohn meldet sich während des Stücks nur einmal selbst zu Wort: Körperlos, nur als Stimme aus den Lautsprechern, tritt er jedoch nicht in den Dialog der Mutter ein, sondern zitiert einen Textausschnitt aus Markus Willingers Buch „Die identitäre Generation“, der wie ein Treueschwur auf die Identitäre-Bewegung klingt.
Hofer trägt die meiste Zeit ein abgefucktes Pandakostüm, ihre Stimme kommt aus Lautsprechern. Ihre Mimik bleibt verborgen, ihre Stimme kommt aus der falschen Richtung: Es ist viel Distanz da, obwohl man als Zuschauer_in selbst im äußersten Winkel des Raums maximal in der zweiten Reihe sitzt.
Zum Schluss nimmt Hofer den Kopf ihres Pandakostüms ab, auch das Mikro. Das was folgt, ist durch die bisherige Distanz umso einprägsamer und geht viel näher. Ruhig wendet sie sich direkt an uns, an ihr Publikum, und erzählt von den „Errungenschaften“ der Rechten während der letzten 4, 5 Jahre. Mitschuld seien auch die Linken, denn man habe die Rechten für dumm gehalten, doch selbst wenn:
„Eine Morddrohung ist nicht weniger eine Morddrohung, wenn ein Rechtschreibfehler drinnen ist.“
Aber man habe sich verkalkuliert, die neue Rechte ist nicht dumm. Fassungslosigkeit und Betroffenheit schwingt mit. Der Bühnenraum ist so hell ausgeleuchtet, dass das Publikum nicht nur Hofer sieht, sondern auch die verschiedenen Menschen im Zuschauer_innenraum. Die meisten sind ebenso fassungslos und betroffen wie ich. Manche schauen Hofer schon gar nicht mehr an und lassen die Köpfe hängen, andere raufen sich die Haare oder scharren unruhig mit den Füßen am Boden.
Der Text von Hofer und Hauswirth ist dicht gewoben: In der Spielzeit von gut einer Stunde verliert der Text nie an Zug, er umreißt stark, klar und präzise die Umstände, vergisst nichts und wiederholt sich nicht. Er ist wie in Strophen gegliedert und jede einzelne hat ihre eigene Rhythmik.
Ein kürzerer Absatz zum Inhalt dieses durch und durch politischen Stücks könnte die Themen nur oberflächlich streifen und wäre gerade diesem Stück gegenüber, das so präzise die Gefühlslage der Angehörigen von Radikalisierten durchdekliniert, respektlos. Politsch Stellung zu beziehen ist für mich zudem etwas sehr Persönliches – mir an dieser Stelle zu persönlich, aber so viel steht fest: Nach diesem Stück fühle ich einen Tatendrang, der mich unruhig macht, ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich brüte noch lange darüber, bis ich erkenne, dass ich öfter an den allwöchentlichen Spaziergängen am Donnerstag teilnehmen sollte, denn wir sind ja zusammen.
Fazit: Beeindruckende One-Woman-Show, die im Format „o’gschnudeltem Pandakostüm und dichtgewobener Text“ tiefschürfende Fragen stellt, Antwortversuche gibt und viel mehr als nur zwei Spieltermine verdient.