Theater in der Josefstadt /// 02. November 2018 /// Die letzten Tage der Menschheit. Lesung mit Musik
Zum 100. Jubiläum des Endes des 1. Weltkrieges führt die Josefstadt zusammen, was offensichtlich zusammen gehört: Franz Schuh, Erwin Steinhauer und Karl Kraus. Ein bezaubernd schockierender Abend, an dem “das österreichische Antlitz” in seiner ganzen Brutalität erscheint.
Leuchtend rote Fäden deuten einen raumfüllenden Quader an. Darin haben auf je einem schwarzen Sockel von unterschiedlicher Höhe vier Musiker_innen Platz genommen. Sie spielen eine verzerrte Kaiserhynme, mischen Heurigen- und Salon- mit Militärmusik, alles im Stil einer leicht unharmonischen Brass-Band der 20er Jahre. Dazwischen spricht er – der Doyen der österreichischen Charakterdarstellung – Erwin Steinhauer.
Der Kabarettist liest in wunderbarem Wienerisch eine von ihm gemeinsam mit Franz Schuh perfekt gekürzte Fassung mit einer Natürlichkeit, dass man denkt, Karl Kraus spräche selbst hier auf der Bühne. Respektvoll erweckt Steinhauer Figur um Figur zum Leben. Bald entsteht das groteske Getümmel aus Kraus eigentlich unaufführbarem Theatertext.
Sehr gefällig beginnt der Abend in all seiner Perfektion. Zu gefällig? Nein. Spätestens nach der Pause zeigt Steinhauer, was in der Kraus’schen Satire steckt: Die unfassbare Brutalität der österreichischen Kriegs-Mentalitäten tritt in all ihrer Unmenschlichkeit hervor.
“Hauts’as!”, schreit der Österreicher auf der Straße in der Hauptstadt. Wenig später erfriert ein jugendlicher Soldat im Feld. Sein Vorgesetzter wollte ihn hart bestrafen, um mehr Leidenschaft für den Krieg zu provozieren. 1918 verliert Österreich den ersten Weltkrieg, hervorgerufen durch die Kriegserklärung Österreich- Ungarns an Serbien. 17 Millionen Menschen sterben. “Ich habe es nicht gewollt.” steht groß an die hintere Bühnenwand projiziert. Die Musik verstummt. Der Josefstadt ist ein großer Abend gelungen.
Die letzten Tage der Menschheit
Lesung mit Musik
Text: Karl Kraus
Fassung: Erwin Steinhauer und Franz Schuh
Bühnenbild und Kostüme: Enid Löser, Musik: Joe Pinkl, Sound: Robin Gillard, Licht: Manfred Grohs, Stimme: Erwin Steinhauer, Theremin: Pamelia Stikney, Blasinstrumente: Georg Graf, Keyboard, Tuba, Posaune: Joe Pinkl, Perkussion, Hang: Peter Rosmanith
Foto: © Jan Frankl.