Theater in der Josefstadt /// 14. März 2019 /// Jacobowsky und der Oberst
Zwei Männer voller Gegensätze auf ihrer Flucht vor den Nazis – Janusz Kica inszeniert am Theater in der Josefstadt Franz Werfels letztes Stück großartig mit der Hilfe wunderbarer Schauspieler_innen.
Die Besetzung Paris´ durch die Nationalsozialisten 1940 veranlasst Menschenmengen dazu, zur Küste zu migrieren, um es dort auf ein rettendes Schiff ins Exil zu schaffen. In dieser Situation sieht sich der polnische Jude Jacobowsky, für den dies bereits seine fünfte Migrationserfahrung ist, dazu gezwungen, sein Auto auf dem Weg zu einem rettendem Hafen mit seinem Landsmann General Stjerbinsky und dessen Gehilfen Szabuniewicz zu teilen. Die Gruppe wird vervollständigt durch Marianne, die französische Geliebte des Oberst, gegenüber der auch Jacobowsky seinen Charme spielen lässt, wodurch sich die Konflikte zwischen den beiden Männer noch verstärken.
Jacobowsky und der Oberst könnten unterschiedlicher nicht sein: Dem optimistischen, eloquenten Intellektuellen steht der realistische, direkte Kriegsstratege gegenüber. Das erzeugt viel Komik, die von den famos spielenden Johannes Silberschneider und Herbert Föttinger getragen werden, letzterer als Oberst mit genialem polnischen Akzent. Das Herzstück des Abends sind diese lustigen Szenen mit pointierten Aussagen, bei denen vielschichtige Bilder der Personen gezeichnet werden.
Doch die Rahmenhandlung ist eine tragische, was durch das düstere, in grau gehaltene Bühnenbild untermalt wird. Die Flucht setzt den beiden Männern zu: Zunehmend verliert der Oberst seinen Stolz und Jacobowsky seinen Optimismus. Im Gegensatz dazu blüht Marianne auf: sie wandelt sich von einem naiven Mädchen in eine starke, selbstbestimmte Frau. Zwar nimmt sie zwischen den sturen Männern die weibliche Rolle einer Fürsorgerin und Vermittlerin ein, bestimmt aber auch immer mehr den Weg der Gruppe und nützt das Wissen um der Anziehung des Oberst und Jacobowsky ihr gegenüber bewusst ein. Dabei bleiben ihre wahren romantischen Gefühle versteckt. Schade ist, dass dieser krasse Persönlichkeitswandel im Theaterstück von einer Szene auf die andere geschieht: Obwohl klar ist, dass inzwischen viel Zeit vergangen ist, wäre ein leichterer Übergang nachvollziehbarer gewesen.
Franz Werfels Theaterstück als autobiographische Verarbeitung verabsäumt es leider, das Thema der Migration mit seinen Entbehrungen, bürokratischen Schwierigkeiten und die Abneigung gegenüber dem “Ausländer” in einen aktuellen Kontext zu setzen. Obwohl man sich bei der Lektüre des Programmheftes den Bezügen zur Gegenwart kaum entziehen kann, ist im Stück selbst nur bei einer Szene eine leichte Gesellschaftskritik spürbar: Als Jacobowsky andere Charaktere ob ihrer Untätigkeit gegenüber Hitler kritisiert, sind die Angesprochenen nicht sichtbar, womit der Adressat das Publikum direkt ist.
Fazit: Franz Werfels Aufarbeitung seiner eigenen Fluchterfahrung als grandioser Schauspielabend, dem es nur an aktuellen Bezügen mangelt.
JACOBOWSKY UND DER OBERST
Regie: Janusz Kica
Bühnenbild und Kostüme:Karin Fritz
Dramaturgie: Silke Ofner
Licht: Manfred Grohs
Sounddesign: Matthias Jakisic
Mit: Johannes Silberschneider, Herbert Föttinger, Pauline Knof, Matthias Franz Stein, Alexander Absenger, Johannes Seilern, Ulli Maier, Therese Lohner, Tobias Reinthaller, Marianne Nentwich, Ulli Fessl, Katharina Hope Kemp/Lara Nguyen, Anna Laimanee, Alma Hasun, Patrick Seletzky, Siegfried Walther, Michael Schönborn. Paul Matic, Gerhard Kasal, Wojo van Brouwer, Ulrich Reinthaller. Claudius von Stolzmann, Phillip Bauer/Simon Stadler-Lamisch, Tamim Fattal
Fotos: © SEPP GALLAUER
Mehr Informationen hier: https://www.josefstadt.org/programm/stuecke/action/show/stueck/jacobowsky-und-der-oberst-2.html
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