Interview mit Oskar Gigele
In einem traditionellen Wiener Kaffeehaus treffen wir Oskar Gigele, einen jungen Komponisten aus Wien. Katrin Brehm sprach mit dem jungen Künstler über die Anfänge seiner musikalischen Karriere, seinen facettenreichen Stil von klassischer Musik und über knifflige Situationen während der Arbeit an seiner neuen Oper.
Neue Wiener: Oskar, du bist Student der Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, hast schon als kleines Kind angefangen zu komponieren und zu singen, spielst selbst mehrere Instrumente –Klavier, Flöte und hast zudem Grundkenntnisse der Geige erlernt – war die Musik schon immer dein Berufsziel?
Oskar Gigele: Ich bin mit der Musik aufgewachsen. Mein Vater ist Komponist, aber hauptsächlich in der Popular- und Werbemusik tätig. Ursprünglich hatte ich nicht so viele Berührungspunkte mit klassischer Musik. Mit meiner Großmutter war ich als Kind öfters in der Oper. Dort saß ich ganz still auf der Stuhlkante und lauschte gebannt der Musik. Meine Großmutter teilte meinen Eltern mit, dass ihr mein großes Interesse an klassischer Musik aufgefallen ist. Daraufhin wurde ein Vorsingen bei den Wiener Sängerknaben organisiert, bei welchem ich so nervös war, dass ich während dem Vorsingen geweint habe. (Er schmunzelt). Glücklicherweise hat mein Gesang den musikalischen Leiter der Volksschule der Wiener Sängerknaben trotz allem überzeugt. Damals war ich acht Jahre alt. Der Eintritt in die Wiener Sängerknaben wurde zum Ausgangspunkt meiner musikalischen Karriere.
N.W.: Mit elf Jahren hast du angefangen zu komponieren. Wie kommen dir deine Ideen?
O.G.: Alles begann damit, dass mir plötzlich unbekannte Melodien durch den Kopf schwirrten. Ich habe mich gefragt, warum ich sie höre, da ich sie nicht kannte und habe begonnen sie aufzuschreiben. Das waren am Anfang ganz banale Melodien… nichts à la Mozart oder Haydn. Als ich 16 Jahre alt war habe ich ernsthaft angefangen zu komponieren und mich mit Musikgeschichte auseinander zu setzen. Schnell habe ich festgestellt, dass es eine enorme Lücke gibt zwischen der traditionellen klassischen Musik und der Avantgarde.
N.W.: Wie würdest du deinen Musikstil beschreiben und welche Menschen möchtest du damit erreichen?
O.G.: Mir ist es wichtig durch die Musik generell Leute zusammenzubringen und miteinander zu verbinden. Das schließt auch die Idee ein, dass man junge Leute dazu anregt, sich für klassische Musik zu begeistern. Leider gestaltet sich dies immer noch als schwierig, weil die Jugend ziemlich starke Vorurteile gegenüber klassischer Musik hegt. Oft wird klassische Musik als unaufregend und langweilig abgewertet. Ich versuche in die Musik, die ich schreibe, viele Einflüsse mit einzubeziehen. Das kann unter anderem Popularmusik, Musical oder Jazz sein. Die Klänge –die von der Renaissance bis zur Avantgarde reichen– dominieren nicht, es sind Nuancen, die meinen Stil untermalen.
N.W.: Du schreibst gerade an einer Oper. Magst du verraten, welche Idee sich dahinter verbirgt?
O.G.: Die Handlung habe ich mit der Autorin Clara Gallistl entwickelt. Ursprünglich war die Idee, dass wir ein psychologisches Drama schreiben, welches Sexualität – Männlichkeit gegen Weiblichkeit– thematisiert. Wir haben aber ziemlich schnell gemerkt, dass Text und Musik nicht so gut miteinander harmonieren. Das Problem war, dass die Worte von Clara und mein Musikstil sich voneinander abgestoßen haben. Der Text gestaltete sich als zu modern und umgangssprachlich für meine doch sehr ernste und vor allem feine Musik. Um dies zu umgehen, hatten wir die Idee, die Handlung in das Jahr 1848 zurücksetzen. Damit war das Problem der Umgangssprache gelöst, da sich der Text nun aus einem eher altertümlichen Vokabular zusammensetzte und sich mit dem Rhythmus meiner Musik besser zusammenfügt. Zeitlicher Kontext des Stückes ist die Oktoberrevolution in Wien und es dreht sich um ein Mädchen aus einer Bauernfamilie, das in die Stadt kommt, um an der Revolution aktiv teilzunehmen. Es schneidet die Haare ab, um als Mann durchzugehen und schließt sich einer Burschenschaft an. Dort lernt sie einen jungen Mann kennen, der ihr Leibbursch ist. Sie verlieben sich ineinander, was er aber nicht wahrhaben will, da er sie für einen Mann hält… Ich könnte jetzt noch sehr viel mehr erzählen, aber dann würde ich ja alles verraten (lacht).
N.W.: Wo siehst du dich in zehn Jahren?
O.G.: Ich möchte weiterhin Opern schreiben und diese vor allem zur Aufführung bringen. Das ist das größte Ziel, das ich habe. Sponsoren zu sammeln, mehr Connections zu machen, eine mediale Präsenz aufzubauen, damit ich Aufträge erhalte. Parallel dazu möchte ich aber auch gemeinsam mit Kompositionsstudenten kleinere Projekte und Konzerte realisieren.
N.W.: Welche_n Künstler_in oder welches Stück würdest du unseren Leser_innen zum Abschluss ans Herz legen zu hören, der_die oder das dich inspiriert hat?
O.G.: Es gibt einen Künstler, den ich ganz herzlich empfehlen kann: den japanischen Komponisten Yoshimatsu. Er verbindet viele Elemente: von progressivem Rock, Jazz und aus der Musik der Romantik. Gerade für Leute, die sich nicht so gut mit Musikgeschichte auskennen, könnten daran Gefallen finden. Es ist eine sehr vielfältige und lebendige Musik. Ein Titel zum Reinhören wäre „When Birds are still“.
Vielen Dank, lieber Oskar, für das interessante Gespräch und unseren Leser_innen wünschen wir viel Vergnügen beim Reinhören: https://youtu.be/0guuuE6NjjQ
Bildrechte: (c)