Theater Hamakom Nestroyhof /// 05. Juni 2019 /// Farc.ie
Sprache formt das Denken. Sie kann solidarisieren, ein- und ausgrenzen. Sprache ist identitätsstiftend- in Bezug auf kultureller, ethnischer, aber auch sexueller Zugehörigkeit. In welchem Verhältnis Sprache zu Genderbewusstsein steht und wie Sprache Binarität und Transsexualität (de)konstruiert, sind die Leitfragen der Ein-Mann_Frau Performance Farci.e von Sorour Darabi.
Die_der aus dem Iran stammende_r Performancekünstler_in ist von der in seiner_ihrer Heimat gesprochenen Sprache Farsi keine Geschlechtermarkierung gewohnt. In Frankreich, wo er_sie sein_ihr Kunststudium beginnt, werden seiner_ihrer sexuellen Identität neue sprachliche Grenzen auferlegt. Jedes Wort folgt der weiblichen oder männlichen Zuordnungen – diverse Abweichungen sind sprachlich komplett intransparent gesetzt.
Das Bühnenbild wird von einer minimalistischen Optik dominiert. Nur eine geringe Anzahl an Requisiten ist innerhalb einer weißen Kulisse platziert: ein Schreibtisch, ein Stapel Zettel auf dem Tisch und zwei Wasserflaschen aus Plastik. Sourour Darabi, eine zierliche Person, die mit ihrer enormer charismatischen Ausstrahlung den gesamten Raum füllt, widmet sich 50 Minuten lang still einem Stapel Papierzettel.
Ist die Zuordnung des Geschlechtes verpflichtend? Wer legt das Geschlecht fest? Ist es legitim, Grenzen bezüglich Gender festzulegen?
Sprache als bewusstseinsbildendes Element wird als mit Worten bedrucktes Papier metaphorisiert und zu dem zentralen Gegenstand der Performance. Es gleicht einer bizarren, aber doch so ausdrucksstarken Darbietung als Sourour Darabi das bedruckte Papier mit Wasser bespuckt, die Papierzettel aneinander reibt und sie mit knackenden Geräuschen zu einem homogenen Zettelkloß formt. Wörter und Buchstaben verschwimmen und die blaue Farbe der Buchstaben löst sich zunehmend auf und rinnt auf den Boden hinunter.
Es ist ein Rebellion gegen verinnerlichte Grenzen und ein Plädoyer an das Auflösen jeglicher Barrieren, die sexuelle Orientierung und Identifikation eindämmen und sexuelle Vielfalt herabsetzen, als der_die Künstler_in den Zettelkloß als Sinnbild für Sprache in den Mund nimmt und wieder ausstößt.
Fazit: Eine sprachlose Performance über Sprache, in der Sprache völlig überflüssig wird. Starke Gesten, Bewegungen und Gesichtsausdrücke dynamisieren die Performance und untersuchen das Geschlecht in umfassender, tiefgründiger Art und Weise: Von seiner biologischen Komposition und kulturellen Konstruktion, bis hin zu seiner sprachlichen Benennung.
FARC.IE
Konzept, Choreografie, Performance: Sorour Darabi
Licht: Yannick Fouassier
Beleuchtung: Jean-Marc Ségalen
Künstlerische Beratung: Mathieu Bouvier
Bildrechte: (c) Mehrdad Motejalli