„Alles ist fad und oam.“ – So beginnt das neue Programm des jungen Kabarett-Duos Flüsterzweieck. „Stabile Eskalation“ stellt mit sehr viel frischem Humor die Frage der Fragen: Was kann heutzutage noch ehrlich spannend sein? Und: Muss man Pantomime können, um im modernen Leben zu bestehen?
WEITERE TERMINE IN ÖSTERREICH: 02.02. (KLEINES THEATER, SALZBURG) / 03.02. (POSTHOF LINZ) / 04.02. / 04.03. (KABARETT NIEDERMAIR WIEN) / 09.03. / 10.03. / 11.03. (THEATERCAFÉ GRAZ)
Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger erleben einen Mangel an Magie. Sie spüren eine Sehnsucht nach Echtheit, nach Realität und stehen sich auf der Suche nach Antworten gegenseitig köstlich im Weg herum. Haidacher ist mit 21st century depression zu keinem positiven Gedanken zu bewegen. Stabinger setzt ihre entschiedene Fröhlichkeit auch gegen Haidachers Einfluss um.
Gemeinsam ist den beiden Figuren die Frage: Wie kann man heute noch provozieren? Die Antwortversuche gehen über „dreckige Wörter“ wie „Frau“ über Erzählungen von Cervixschleim bis hin zu Nacktheit auf der Bühne. Der ältere Herr neben mir im Publikum kann mit dem ganzen feministischen Gewäsch sichtlich nichts anfangen. Er verlässt mit seiner Begleitung in der Pause das Kabarett Niedermair. Wahrscheinlich trifft das junge, weibliche Prgramm nicht sein Interessensfeld. Da lieber gleichaltrigen Männern auf Kabarettbühnen zusehen. Damit alles immer schön beim Alten bleibt, ist es am besten, sich nicht mit den Themen anderer Leute zu beschäftigen. Außerdem ist das hier ja nicht wirklich zu 100% Kabarett, sondern eher mehr Theater, wie man bei der Wiener Zeitung meint.
„Stabile Eskalation“ versucht auf unglaublich witzige Weise an der eigenen Vorgabe zu scheitern. Man will, so der Pressetext, „etwas Großartiges, Bahnbrechendes, Unerwartetes, unfasslich Unglaubliches“ geschehen lassen. Da kann man schon mal spontan das lateinische Vater Unser als Show inszenieren, Sketche in der Brotfabrik spielen lassen und sich selbst in den Arm beißen. Flüsterzweieck will in seinem neuen Programm herausfinden, wie spannend ein Kabarett-Abend heute überhaupt noch sein kann. Dazu ist es nötig, „die eigenen vier Wertvorstellungen zu verlassen“ und auf Reisen zu gehen.
Selbstreflexives Kabarett, das sich über die eigene Kunstform lustig macht und damit lustvoll-kritisch infrage stellt. Selbstbewusst stellen Haidacher und Stabinger die erstaunlich einfachen Elemente ihrer Bühnenshow vor und damit aus:
- 1 Stagepiano
- 1 gelber Fetzen
- 1 Flasche Ottakringer als „Konzept des Abends“
- 2 Sessel
Ausgestellt wird auch der oame Alltag, in dem sich junge Selbstständige zurecht finden müssen:
„So free, oder bin ich gar nicht free? Weil ich muss ja auch Honorarnoten schreiben und bin ich überhaupt versichert?“
Bei Flüsterzweieck geht es kreativ, witzig, echt und schnell zu. Flüsterzweieck ist Kabarett für Menschen, die nicht ins Kabarett gehen, weil die Erinnerung an den Film „Muttertag“ genügt und man „Was gibt’s Neues?“ nicht lustig findet.
Stringent geht der erste Teil des Abends, der sich auf individueller Ebene mit den „faden“ und „oamen“ Leben heutiger Menschen beschäftigt, in den deutlicher gesellschaftskritischen zweiten Teil des Abends über. Lebensfreude und Realität treffen in unglaublich lebensnahen und konkreten Figuren und Geschichten aufeinander. Eine leidenschaftliche Frau scheitert an der Naivität eines markiert österreichischen Mannes. Ein altes Ehepaar schwelgt in der gewachsenen gemeinsamen Liebe und scheidet den Hass dort aus, wo er hingehört: im Internet.
In ihrem neuen Programm machen sich Flüsterzweieck auf wunderbar sympathische Weise über ihren eigenen „Wissensvorsprung“ als weiße Mittelschichts-Feministinnen lustig ohne die Anliegen des Feminismus abzuwerten. Das Drucksystem des modernen Arbeitsmarktes aus weiblicher Perspektive habe ich selten so anschlussfähig und lustig dargestellt gesehen.