Theater in der Josefstadt /// 07. November 2019 /// Rosmersholm
In Ulf Stengels Bearbeitung von Ibsens “Rosmersholm” stoßen politische Meinungen in einer polarisierten Welt mit viel Vereinfachung aufeinander.
Ein Jahr nach dem Selbstmord seiner Schwester Beate kommt Kroll seinen Schwager Johannes in seinem abgelegenen Haus besuchen. Dort wohnt er autark mit der jungen Rebecca, die Beate bis zu ihrem Tod gepflegt hatte. Rebekka hatte einen großen Einfluss auf Johannes, im Laufe derer Diskussionen entstand ein ausländer*innenfeindlicher Artikel, den Rebekka ohne sein Wissen auf der neonazistischen Interneitseite Phalanx veröffentlichte. Nach hitzigen politischen Auseinandersetzungen überzeugt Kroll seinen Schwager davon, den Artikel vom Netz zu nehmen und sich wieder in seinem linken politischen Zirkel sehen zu lassen. Er könnte durch sein artikuliertes rechtes Gedankengut seiner Karriere im akademischen Bereich schaden. Rebekka fühlt sich durch seinen Rückzieher verraten, im zweiten Akt werden ihre Radikalisierung, Traumata und Bedeutung für Beates Tod aufgearbeitet.
Der Dramatiker und Bühnenbildner Ulf Stengel entnimmt aus dem Titelstück nur die drei Hauptcharaktere und einige Motive, die politischen Rollen wurden umgedreht: Kroll ist ein Altlinker, der seinen Schwager Johannes wegen seines rechten Gedankenguts konfrontiert. Die Debatten der ersten Hälfte sind nicht nur sehr aktuell – in Zeiten einer Polarisierung sind politische Auseinandersetzungen innerhalb einer Familie keine Seltenheit mehr – sondern ist Dank guter Dialoge und Wortwitzen unterhaltsam. Leider gleitet das Stück in der zweiten Hälfte in eine Vereinfachung des Rechtsextremismus´ ab. Während im ersten Teil Johannes und Kroll noch darüber debattieren, ob die Menschen oder die Zustände bekämpft werden sollen, wird nach der Pause die elende Vergangenheit Rebekkas als einzige Erklärung für ihre Einstellung präsentiert. Das ist nicht nur eine Verharmlosung der Gefahr rechtsextremer Strömungen, sondern spricht der einzigen Frauenfigur auch ihre eigenen politischen Meinungen ab.
Rebekka ist am Beginn des Stückes mit ihrem zynischen Auftreten und ihrem burschikosen Äußeren erfrischend unorthodox und steht selbstbewusst den paternalistisch agierenden Männern gegenüber. Wenn sich jedoch nach der Pause das Ausmaß der Manipulation und Traumata Rebekkas offenbart, sind ihre Stimmungsschwankungen nicht nachvollziehbar. Bis zur Enthüllung der psychischen Krankheiten Rebekkas wird wird das Publikum mit unverständlichen Anspielungen und Launen Rebeccas hingehalten, was das Verständnis für sie verhindert.
Der Versuch, am Aufführungsende noch Witz einzubauen, indem sich Rebekka mit Alkohol als Brennmaterial übergießt, wirkt nach den ernsten Gesprächen unpassend.
Fazit: Nach einer unterhaltsamen, anregenden ersten Hälfte fällt das Stück in plumpe Dialoge und Vereinfachung statt gesellschaftliche Analysen von rechtsextremen Gedankengut ab.
ROSMERSHOLM
Neubearbeitung von Ulf Stengel nach Motiven des gleichnamigen Stückes von Henrik Ibsen
Regie: Elmar Goerden | Bühnenbild: Silvia Merlo, Ulf Stengl | Kostüme: Lydia Kirchleitner | Dramaturgie: Matthias Asboth | Licht: Manfred Grohs | Johannes: Herbert Föttinger | Rebekka: Katharina Klar | Kroll: Joseph Lorenz
Mehr Informationen hier: https://www.josefstadt.org/programm/stuecke/premieren-201920/action/show/stueck/rosmersholm-1.html
Fotos: Erich Reismann