Akademietheater /// 13.März 2022 /// Adern
Mit kurzen Sätzen, stimmungsvollen Gesten und vielen bedeutsamen Stillen versetzt uns das Akademietheater mit dem Text “Adern” von Lisa Wentz in das Tirol der Nachkriegszeit.
1953 kommt Aloisia (Sarah Viktoria Frick) auf eine Annonce von Rudolf hin in das vom Bergbau lebende Tiroler Dorf Brixlegg, um einen Vater für ihr Kind mit einem französischen Besatzungssoldaten zu finden. Rudolf (Markus Hering) hat die Mutter seiner fünf Kinder verloren und braucht ebenso eine Partnerin, um diese großzuziehen. Aus der Zweckehe entwickelt sich erst langsam eine Beziehung; zu groß sind ihre Unterschiede, zu rational die Motivation ihres Zusammentreffens, zu tief ihre Wunden. Aloisia kämpft als Mutter eines unehelichen Kindes um die gesellschaftliche Akzeptanz in der Nachkriegsgesellschaft, Rudolf mit einem nicht näher definierten Trauma aus einem Bergwerksunglück. Auch die Nebenpersonen haben ihr Päckchen zu tragen: Aloisias Schwester Hertha (Andrea Wenzel) leidet unter ihrer Kinderlosigkeit, Rudolfs Kamerad Danzel (Daniel Jesch) ist alkohol- und spielsüchtig und Rudolfs Tochter Theres (Elisa Plüss) muss sich von ihrem Vater abnabeln, der sie nicht gehen lassen möchte.
Das Stück “Adern” der jungen Autorin Lisa Wentz wurde mit dem Retzhofer Dramapreis 2021 ausgezeichnet und behandelt die Zeit von 1953 bis in die 70er-Jahre. Die Zeitsprünge werden zwar durch die sich etablierenden technischen Geräte – erst Radio, dann Fernsehen – angedeutet, bleiben sonst aber vage und bereiten rechnerisches Kopfzerbrechen.
Der Text lebt von kurzen Sätzen und vielen Stilen, wird aber gerade dadurch authentisch, weil er die Distanz der Charaktere zueinander einfängt. Die Unsicherheit, die krampfhaften Gespräche manifestieren sich auch in den vielen Unterbrechungen, gerade von Aloisia. Im Laufe der gemeinsamen Jahre nähert sich das Ehepaar immer mehr an, was an subtilen Gesten und zunehmend mehr Körperkontakt bemerkbar wird. Autorin und Regie (David Bösch) zeigen großes Gefühl für die kleinen zwischenmenschlichen Details.
Insgesamt wird eine düstere Grundstimmung, bedingt durch die Not nach dem Zweiten Weltkriegs und den Fluch des Bergwerks, wiedergegeben. Die beiden Hauptcharaktere beschweren sich aber nie, sondern denken nur daran, ihre Familien voranzubringen und sich dafür mit den Bedingungen zu arrangieren. Das macht sie zu lebensnahen und sympathischen Personen. Im Laufe der Jahre kommt immer mehr Hoffnung in ihr Leben, verdeutlicht auch durch bunteren Elemente in dem sonst sehr asketischen, aber dadurch stimmungsvollen Bühnenbild (Bühne: Patrick Bannwart). Mit den direkten Dialogen und trockenem Humor sorgt Lisa Wentz dennoch für Lacher im Publikum und zaubert gegen Ende sogar den Hauptpersonen ein Lächeln auf die Lippen.
Unterbrochen wird die Handlung immer wieder von den poetischen Reflexionen einer engelhaften Frau, die den Berg symbolisieren soll. Die Verbindungen zwischen der Geschichte des Bergwerkes, der Nachkriegswelt und Rudolfs Trauma wird aber nicht deutlich.
Fazit: „Adern“ präsentiert ein spannendes Thema mit überzeugenden Dialogen, Charakteren und Inszenierung, ist aber insgesamt zu langatmig, ohne die Metabezüge ausreichend vermitteln zu können.