Dschungel Wien /// 13. Dezember 2019 /// AndersLand
Sara Ostertag gelingt es mit dem Stück „AndersLand“ in dem wunderbar verspielten Bühnenbild von Birgit Kellner und Christian Schlechter das Thema Flucht nicht nur kindergerecht aufzuarbeiten, sondern mit einer feinen Ästhetik auch die Erwachsenen zu Tränen zu rühren.
Mühsam erklimmt sie die Stiege, den schweren Koffer auf dem gebückten Rücken, als sie von ihm gefragt wird: „Von wo?“- Hart, kurz und unpersönlich. Und wie ein Mantra wiederholt sie immer wieder den Satz: „Von weit weg. Von weit, weit weg.“
Sara Ostertag setzt in ihrem Stück auf assoziative Textflächen, die gesungen, gerappt oder gesprochen werden und mit der mitreißenden Musik von Simon Dietersdorfer unterstrichen sind. Auch wenn die Sprache oft abstrakt ist, werden die Kinder abgeholt und die Message kommt klar rüber. Als die namenlose Auswanderin beispielsweise Arbeit sucht und zuerst als Putzfrau eingesetzt wird, macht sie das ohne weiteres. Aber als sie gefragt wird, was sie sonst noch kann, beginnt ein Rap mit all den Fähigkeiten, die sie erlernt hat: Programmieren, operieren, inszenieren, empirisch zitieren usw. Leider gibt’s dann aber trotzdem keinen Job. Auf spielerische Weise wird dadurch die Problematik dargelegt, dass Menschen trotz hohem Bildungsniveau oftmals Klos schrubben müssen.
Die Figur der Auswanderin, gespielt von Suse Lichtenberger, schafft es einfühlsam auch schwierige Themen dem Publikum zugänglich zu machen. Fragen nach Vergangenheit, Herkunft und Identität werden gestellt und sensibel behandelt. Ein Koffer mit Erinnerungen wird geöffnet und eine verbrannte Stadt kommt zum Vorschein. In der Stadt sitzt eine Puppe, der Christian Schlechter Leben einhaucht und die so zum Vater der Auswanderin wird. Mit den Sätzen „Ich vermisse dich. Ich vergesse mich. Vergisst du mich?“ beginnt Suse Lichtenberger die Kriegsgeschichte ihres Vaters zu erzählen.
Bemerkenswert ist auch die phantasievolle Bildsprache. Egal ob es ein Froschwesen mit Wiener Schmäh ist oder eine per Overheadprojektor übertragene Stadt, die lebt und sich bewegt – durch Schattenspiel und Puppenspiel werden Kinder, wie auch Erwachsene in den Bann gezogen. Diese zarte und verspielte Ästhetik in der heikle Themen, wie Flucht und Anders- Sein behandelt werden, erinnert an „Der kleine Prinz” von Antoine Saint-Exupéry.
Fazit: Durch eine eindrucksvolle Bildsprache und assoziative Textflächen wird bei Jung und Alt die Phantasie angeregt und man wird in eine magische Welt gezogen, in der fremde Froschwesen zu Freunden werden, Papierkraniche durch Großstädte fliegen und eine ganze Familie in einen Koffer passt. Und während im Kopf der Satz „Ich bleibe. Ich bleibe bei mir“ noch nachhallt, verlässt man den Saal mit der Frage: Was nimmt man mit im Leben und ab wann ist man wo zu Hause? Ein niveauvolles Theaterstück für Groß und Klein.
ANDERSLAND
von makemake produktionen & JUST des Oldenburgischen Staatstheater
Österreichpremiere
Regie: Sara Ostertag | Bühne, Kostüm, Figurenbau: Birgit Kellner, Christian Schlechter | Musik: Simon Dietersdorfer | Dramaturgie: Anna-Teresa Schmidt | Schauspiel: Suse Liechtenberger, Simon Dietersdorfer, Christian Schlechter
Mehr Infos zum Stück hier: Klick!
Fotos: © Bettina Frenzel