Theater in der Josefstadt /// 07. Oktober 2021 /// Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen – Drei Dramolette
Das Publikum lächelt, aus den Lautsprechern dröhnt Grönemeyer und auf die Bühne tritt niemand anderes als der ehemalige Burgtheaterdirektor Claus Peymann. Gemeinsam mit seinem langjährigen Gefährten und Kollegen, dem Dramaturgen Hermann Beil und Maria Happel, ebenfalls Regisseurin und Leiterin des Max Reinhardt-Seminars, füllen sie einen ganzen Abend mit den drei 1986 entstandenen Dramoletten des Autors Thomas Bernhard.
Nehme man(n) einen Autor, einen Dramaturgen, einen Intendanten und gebe man(n) ihnen die Namen Bernhard, Beil und Peymann. Setze man(n) sie nun allesamt nach Wien, so findet man(n) sich in der komischen, nahezu grotesk gezeichneten Welt des Übertreibungskünstlers Bernhard wieder. Doch wo sind bei all dem „man(n)“ die Frauen geblieben? In der Josefstädter Inszenierung von „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“, die als Reinszenierung der bereits 2006 vorangegangenen Burgtheaterversion anzusehen ist, sind Frauenfiguren nahezu nicht vorhanden – selbst die Sekretärin Schneider wird von Hermann Beil gespielt! Geradezu an den Rande des Nebentextes werden sie gedrängt, wie es die Figur der Maria Happel zeigt, die vom seitlichen Bühnenrand aus das Geschehen kommentiert. Genau das macht das Stück gesellschaftskritisch interessant. Denn nur durch die ‚authentische‘ Besetzung durch Peymann und Beil wird das Spiel im Spiel, die Poetik der Künstlichkeit und die hegemoniale Männlichkeit deutlich spürbar.
Claus Peymann verlässt Bochum und geht als Burgtheaterdirektor nach Wien
Verschimmelte Dramaturgen und erstickte Schauspieler sind für den frisch angekommenen Burgtheaterdirektor Peymann in der „fürchterlichsten aller fürchterlichen Städte“ keine Eigentümlichkeit. War er eben noch mit seiner Sekretärin Schneider, gespielt von Hermann Beil, im Direktionszimmer des Schauspielhauses Bochum zugegen, so hat er sich nun mit dem Gestank der Donau abzufinden. Mit tänzerischer Eleganz überwindet der bereits 84-jährige Claus Peymann im Takte Johann Strauß die Grenzen zwischen Wien und Bochum. Die Bühne gehört ganz ihm. Das Publikum schmunzelt. Ende des ersten Dramoletts.
Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen
„Österreich ist die tollste Komödie“, sinniert der bereits etablierte Burgtheaterdirektor nach seinem Hosenkauf, und das obwohl, Bernhard, ebenfalls gespielt von Hermann Beil, entgegnet, „die Österreicher glauben, [dass] ihr Vaterland eine Tragödie [ist].“ In Österreich scheint die Rampe, die strikte Trennung zwischen Spiel- und Zuschauerraum, überwunden zu sein. Die Darsteller, das Bühnenbild, die Bühnenmusik, alles ist schon da. Nicht zuletzt auch die nötigen Trottel und Dummköpfe, wie etwa der Bundeskanzler, den die beiden bei ihrer Einkehr in die „Zauberflöte“ treffen, die eine wahrhaftige Volkskomödie erst aufblühen lassen. Insbesondere diese Szene erregte die Gemüter im Publikum angesichts der neuesten Entwicklungen im Bundeskanzleramt, zusehends. Von verständnislosem Kopfschütteln bis hin zu ekstatischen Lachausbrüchen war vieles zu beobachten. So sei gesagt: das Stück hat keineswegs an Aktualität verloren!
Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese
Das letzte Dramolett präsentiert Claus Peymann und den nun wahrhaftigen Dramaturgen Hermann Beil auf der Sulzwiese. Beide Herren, bepackt mit kolossalen Schnitzeln, halten unter der Linde ihr Mahl und beginnen, wie es der Ort nicht anders verlangt, zu sülzen. So echauffiert sich der Burgtheaterdirektor über die „Dramaturgensprache“ seines Kollegen, vor allem über das Wort „natürlich“. Nichts sei natürlich, alles künstlich. Dieses Bild der Künstlichkeit wird insbesondere auch dadurch hervorgebracht, als dass es sich, wie das Josefstädter Theater schreibt, um eine „authentische Besetzung“ handle, „wie sie nicht authentischer sein könnte“. Dass die beiden Kunstikonen ihren eigens für sie geschriebenen Text jedoch aus dem Skript vortragen, zeugt hingegen von der Künstlichkeit ihrer Rede.
Der eigentliche Star des Abends ist jedoch der schon verstorbene Autor Thomas Bernhard. Auch noch heute hält er gekonnt die beiden hegemonialen Männerfiguren als tragisch-komische Marionetten in der Hand, wenn er sie etwa durch die Regieanweisung immer wieder vom monströsen Schnitzel abbeißen lässt. Sträubt sich Peymann längst merkbar mit aller außer-schauspielerischen Emotion gegen die Aussicht auf einen weiteren Schnitzelverzehr, so weist ihn Maria Happel ad hoc mit den Worten zurecht, „dass sich der Bernhard dabei schon was gedacht hätte.“ So folgt bald ein erneutes „beißt in sein Schnitzel“ der Erzählerin, deren Anweisungen sich Peymann wohl oder eher doch übel beugen musste.
CLAUS PEYMANN KAUFT SICH EINE HOSE UND GEHT MIT MIR ESSEN
nach Thomas Bernhards gleichnamiger Dramolette
Abendspielleitung: Caroline Welzl | Inspizienz: Katharina Steyrleithner | Bühne: Karl-Ernst Herrmann | Kostüme: Wicke Naujoks, Christian Blaschek | die Puppen baute: Katrin Brack | Technik: Christian Neubauer | Beleuchtung: Manfred Grohs | Tontechnik: Michael Huemer | Requisite: Lilija Tchourlina | Maske: Kristi Ehrenhardt | Mit: Claus Peymann als Claus Peymann, Hermann Beil als Fräulein Schneider, Thomas Bernhard, Hermann Beil, Maria Happel als Erzähler*in
Mehr Informationen hier: https://www.josefstadt.org/programm/stuecke/stueck/claus-peymann-kauft-sich-eine-hose-und-geht-mit-mir-essen-1.html
Fotos: © Martin Vukovits, Wiener Festwochen 2006
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