TAG /// 26. Jänner 2024 /// Der Sandmann
Automaten und Künstliche Intelligenz: Bernd Liepold-Mosser verwandelt mit Hilfe von Oliver Welter E.T.A Hoffmanns “Sandmann” in ein Musical und kritisiert unsere Technikgläubigkeit.
Nathanael (Raphael Nicolas) kommt als Student in eine neue Stadt, wird aber von der Erinnerung an den “Sandmann” (Jens Claßen) heimgesucht, den er für den Tod seines Vaters verantwortlich macht. Er lernt Olympia (Michaela Kaspar), die Tochter des Universitätsprofessors Spalanzani (Georg Schubert), kennen, die ihm beim Vorlesen seiner Werke allzu aufmerksam zuhört.
E.T.A Hoffmanns Klassiker “Der Sandmann” für die Gegenwart aufzuarbeiten, trifft den Zeitgeist, da Olympia eine täuschend echte Maschine ist, die menschliches Verhalten nachahmt, was wir heute von den künstlichen Intelligenzen kennen. Die Bearbeitung im TAG bietet allerdings überraschend wenig aktuelle Verweise: Bis auf Szenen zu Beginn und Ende des Stückes hält sich Regisseur Bernd Liepold-Mosser an den Originaltext. Die Inszenierung der Handlung beinhaltet auch nur wenige moderne Elemente wie ein Schaumbad oder Professor Spalanzani in einem Heavy-Metal-Outfit, die zwar eher als Gag dienen, als dass sie eine Botschaft vermitteln, aber doch unterhaltsam sind und das Stück auflockern.
Die Besonderheit dieser Version im TAG stellt aber nicht der Text dar, sondern die musikalische Bearbeitung durch “Naked Lunch”-Sänger Oliver Welter, der das Werk in ein Popmusical verwandelt. Er gibt den Figuren Lieder, in denen sie die Geschehnisse musikalisch verarbeiten. Dabei bedienen sich seine Kompositionen unterschiedlicher Musikrichtungen, was sie besonders abwechslungsreich machen und die Handlung gut unterstreichen. Freude macht es auch zu sehen, wie der Musiker selbst bei allen Liedern mitsingt und -tanzt. Auch die von Welter hervorgerufenen Soundeffekte sind passend und stimmungsvoll.
Zu Beginn und Ende des Stückes wird das Motiv der unsterblichen, künstlichen Intelligenz ausgebaut. Die Darsteller:innen treten als vom Aussterben bedrohte Eisbären auf und sinnieren über Möglichkeiten und Grenzen der modernen Technik. Schade ist jedoch, dass nicht mehr Verknüpfungen im Handlungsverlauf eingebaut wurden, obwohl sich das so gut angeboten hätte. Die Figur von Olympia als “Automat” verbleibt allzu sehr ein Roboter, trotz schlussendlicher Andeutung, dass sie doch Gefühle haben könnte. Überhaupt wird diese Figur erst in der zweiten Stückhälfte eingeführt. Davor nimmt die Konversation Nathanaels mit seiner Verlobten Clara (Lisa Schrammel) viel Raum ein, die allerdings nicht die Aspekte von Technik anspricht, welche die Bearbeitung von “Der Sandmann” laut Programm in den Mittelpunkt stellen wollte.
Fazit: Die musikalische Überarbeitung setzt die richtigen Schwerpunkte auf Handlung und Charaktere, insgesamt kommt die angekündigte Auseinandersetzung mit der Technik, auch wegen des unausgeglichenen Handlungsaufbaus, zu kurz.
DER SANDMANN
Ein musikalisches Schauermärchen
Von Bernd Liepold-Mosser und Oliver Welter
Frei nach E.T.A. Hoffmann
Eine Koproduktion von Flying Opera und dem TAG
Es spielen: Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert | Live-Musik: Alf Peherstorfer, Oliver Welter | Text: Bernd Liepold-Mosser | Regie: Bernd Liepold-Mosser | Choreografie: Petra Kreuzer | Ausstattung: Karla Fehlenberg | Musik: Oliver Welter | Dramaturgie: Tina Clausen | Visuals: Tomislav Gangl | Licht: Katja Thürriegl | Regieassistenz: Renate Vavera | Kostüm- und Requisitenbetreuung: Daniela Zivic | Tontechnik: Peter Hirsch | Bühnentechnik: Hans Egger, Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer
Mehr Informationen hier: Der Sandmann – dasTAG.at
nächste Aufführungen: Fr 16.2., Sa 17.2.; 20h
Fotos: © Stefanie Kleindopp / Anna Stöcher