Burgtheater Wien /// 28. November 2019 /// Die Hermannsschlacht
Martin Kušej versucht sich am Burgtheater an Kleists durch seine Populariät in der NS-Zeit belastetem Stück “Die Hermannsschlacht” über den Kampf der Germanen gegen die Römer mit einem imposanten Verbrauch an Blut und männlichen Schauspielern.
Im Jahr 9 n. Chr. sind die römischen Truppen unter Quintilanus Varus immer weiter ins germanische Gebiet eingedrungen. Um die Freiheit der germanischen Stämme zu verteidigen, spinnt Hermann, Fürst der Cherusker, ein Spiel aus Manipulation, Verrat und “fake news”.
Kleists Stück, oft missverstanden als Beschreibung des germanischen Heldentums, wurde unter den Nationalsozialisten gerne aufgeführt und ist dementsprechend belastet. Obwohl in Presse und Programm angekündigt, gelingt es der Inszenierung nicht, die negativen Eigenschaften Hermanns hervorzuheben und somit das Werk mit neuen Bedeutungen zu besetzen. Die Verleumdungen, Manipulationen und Lügen des Titelhelden gehen unter trotz der mannigfaltigen Möglichkeiten, diese mit Verbindungen zur Aktualität anschaulich zu vermitteln.
Generell bleibt die Motivation Kušejs im Dunkeln: Einerseits präsentiert er die Römer als elegante Dandys im Anzug und bedient das Klischees der wilden Germanen mit barfüßigen, langhaarigen Männern, die auch mal ihre Kleidung ausziehen. Andererseits lässt er die positiven Beschreibungen der “Deutschen” unkommentiert stehen. Der einzige Bezug zur Gegenwart erfolgt am Ende, als die germanischen Fürsten in Burschenschaftermontur aufeinandertreffen. Doch selbst dies stellt keine Kritik dar, sondern ist nur der logischer Bezug dieser Verbände auf das Germanentun. Alles in allem bleibt die Inszenierung altbacken. Bezeichnend dafür ist die Bearbeitung des Orginaltextes durch Passagen in Latein mit deutschen Übertiteln – in alter Rechtschreibung!
Gegen die Unfähigkeit, den Text in die Moderne zu übertragen, hilft auch nicht der imposante Gebrauch an Kunstblut und das 25 Köpfe umfassende Ensemble. Dieses besteht wohlgemerkt bis auf zwei Ausnahmen nur aus Männern. Im 21. Jahrhundert wäre die eine oder andere Hosenrolle möglich gewesen. Zudem wird die einzige weibliche Hauptfigur zu einem wandelnden Klischee mit immer absurderen freizügigen Outfits objektifiziert und darf 10 Minuten nur mit Blick auf ihren Hintern von einem Gitter hängen. Der Anblick eines Dutzend nackter Männer trägt ebenso wenig zu einem positiveren Frauenblick bei, vor allem da sich der Sinn dieser Aktion komplett entzieht. Diese Szenen sind unfreiwillig lustig, da die Inszenierung sonst keinen Humor aufzeigt und sich ernst nimmt. Untermalt wird dies auch durch die übermäßig dramatische Musik während den Umbauzeiten– aufgrund des aufwändigen Bühenbildes gibt es davon viele, was die Aufführungszeit unnötig verlängert.
Fazit: Blut, Nacktheit und Gewalt ersetzen nicht die mangelnde inhaltliche Aufarbeitung. Statt einer neuen Sichtweise auf das Werk bietet es Stereotype.