Herminentheater in Kooperation mit dem TAG /// 21. März 2022 /// Ein bescheidenerer Vorschlag
Mit kurzen Shakespeare-Szenen, musikalischer Unterhaltung und einem ausführlichen Einblick in die hässlichsten Seiten Österreichs füllen die fünf Bouffons der Theatergruppe Herminentheater im TAG die Wartezeit auf ein Gerichtsurteil und einen Asylbescheid.
So schön haben wir es. In Österreich. Einem schönen Land. Viele schöne Menschen, die schön ins Theater gehen können, um schöne Geschichten zu sehen. Oder?
Ein bescheidenerer Vorschlag (Text: Hannelore Schmid und Thomas Toppler, Regie: Thomas Toppler) arbeitet gegen den schönen Schein. Dafür genutzt werden Bouffon-Figuren. Im Mittelalter wurden als Bouffons wegen körperlicher oder seelischer Einschränkungen von der Gesellschaft Ausgeschlossene bezeichnet. Sie unterliegen nicht der Diktatur der Schönheit. Maske und Kostüm (Eva-Maria Mayer) durften sich mit Monobrauen, schwarzen Zähnen und ausufernden Körperteilen austoben.
Doch hässlich sind nicht Gesichter oder Körper. Es ist das hier ausgestellte Verhalten der Stützen des österreichischen Staates. Vier der fünf Bouffons nehmen die Rollen von Legislative, Judikative, Exekutive und der Medien ein. Sie lassen sich von außen beeinflussen um dann doch ausschließlich egoistisch zu handeln. Sie legen sich gegenseitig Steine in den Weg und besonders die Judikative hat es schwer, wird sie permanent von den anderen wortwörtlich an die Wand geklatscht. Besonders grauslig verhält sich die Exekutive: Sie macht Geschäfte und zwar mit dem hässlichsten Charakter des Abends: „Hallo, I bims, eure Medi“ – Die österreichischen Medien üben im Hintergrund versteckt als „vierte Gewalt“ Macht aus. So ist es auch Medi, die den an Menschenfeindlichkeit nicht zu überbietenden bescheideneren Vorschlag hervorbringt: Wenn Immigrant*innen keine Leistung bringen, höchstens den Dosigen Arbeitsplätze wegnehmen, und wenn Tierfleisch-Konsum nicht gerade “SUSTAINABLE” ist, dann könnte man doch…
Das Ensemble (Ambra Berger, Peter Bocek, Ida Golda, Kristóf Szimán, Thomas Toppler) agiert famos. Mit Kontrabass und Ukulele werden Soundeffekte erzeugt und schmähträchtig umgedichtete Songs zum Besten gegeben. Beeindruckend wird von einer Rolle in die nächste gesprungen, das Timing sitzt. Kaum hat Yusuf mit einer katzennärrischen Beamtin einen Dokumenten-Hindernislauf hinter sich gebracht, wird in einer Talkshow über die schwierige Liebe zu einem Ausländer laiengefachsimpelt. Kaum hat die Exekutive den “Vorbild-Ausländer” für ein paar medienwirksame Fotos besucht, treffen sich schon Medien und Exekutive in benachbarten Toilettenkabinen. Zwei Heisln am Heisl – schön! Durch das hohe Tempo vergisst man zeitweilen, wo einem der Kopf steht – Ein Gefühl, das Österreicher*innen auch im Alltag nicht fremd ist. An diesem Abend aber dürfen wir es genießen, handelt es sich zumindest 70 Minuten lang nur um eine Show.
Besonders schön greifen Text und Regie ineinander, wenn es um den tragischen Held der Inszenierung geht. Während die restlichen Bouffons dem Gerichtsurteil bezüglich ihrer Anklage wegen des bescheideneren Vorschlags harren, wartet Yusuf auf seinen Asylbescheid. Kaum zu Wort kommend ist er die einzige Figur, die bei sich selbst bleibt und Wandlung erlebt. Hier entstehen ruhige Kontraste zur gelungenen Parodie.
Zwar sind Themen und Gags teils wohlbekannt. Das macht aber weder die Inhalte weniger relevant noch die gut inszenierten Pointen weniger wirksam. Ein Abend, der spürbar mit großem Talent und viel Liebe auf die Bühne gebracht wurde.