TAG/// 3. Oktober 2020 /// Fahrenheit 451
Das TAG bringt Ray Bradburys dystopischen Klassiker aus dem Jahr 1953 auf die Bühne. Eine Welt, in der die audiovisuellen Medien dominieren und Bücher als Feindbild dienen, ist aktueller denn je.
Guy Montag ist Feuerwehrmann. Nur hat die Feuerwehr in “Fahrenheit 451” eine andere Aufgabe, als wir sie kennen: Statt Brände zu bekämpfen, legt sie diese. Genauer gesagt, Brände von Büchern, die ein verbotenes Gut geworden sind. Die Bewohner*innen sollen sich nur über die Bildschirmwände berieseln lassen und auf keinen Fall selbst denken. Doch ein Gespräch mit seiner Nachbarin Clarisse lässt Guy seinen Beruf, sein soziales Umfeld und die Welt, in der er lebt, hinterfragen. Schließlich tut er das Verbotene: Er stiehlt ein Buch, das er verbrennen sollte und seine Welt gerät weiter aus den Fugen.
Auf einer Bühne, deren Wände Bücherregale gleichen, aber tatsächlich nur aus Bildschirmen bestehen, bringt das TAG eine Dystopie auf die Bühne, die nahe an der Wirklichkeit ist: Algorithmen bestimmen unser Leben, die sozialen Medien überwachen uns und die Leseschwäche nimmt rapide zu. Das größte Ziel von Guys Frau ist es, eine vierte Bildschirmwand zu bekommen, um komplett in eine andere Welt abzutauchen, wobei sie sich kaum mehr auf die ihr Rundherum konzentrieren kann.
Ungewöhnlicherweise hat sich das TAG diesmal ziemlich genau an die literarische Vorlage gehalten und diese kaum aktualisiert. Das ist schade, weil aufgrund der Aktualität des Themas viele Verweise zur Veränderung von Medienlandschaft, Politik und Kultur eingebaut werden hätten können. Mit der Fokussierung auf dem literarischen Werk wurden aber leider auch seine Schwächen übernommen, wie etwa die hölzernen Charaktere: In einem Buch mit wenigen Dialogen fällt dies weniger auf als in einem gespielten Stück. Besonders das problematisch toxische bis brutale Verhalten Guys seiner Frau gegenüber wurde nicht aufgebrochen.
Der einzig vielschichtige Charakter des Stückes ist wohl Guys Chef Beatty, der diesen nicht nur disziplinieren muss, sondern ihn auch darüber aufklärt, warum Bücher verboten wurden. Die Gespräche zwischen den beiden bringen die Handlung am meisten voran und sind Highlights an einem Abend, an dem das Ensemble erneut brilliert.
In Montags Welt wurden Bücher verboten, weil durch sie verschiedene Sichtweisen präsentiert werden, welche die vermeintliche Harmonie innerhalb der Bevölkerung zerstört. Sie dienen in der Dystopie als ein Feindbild, um die Einheit der Bevölkerung zu fördern. Die Themen von “Fahrenheit 451” lassen uns auch 2020 über Manipulation, Propaganda und Diktatur reflektieren.
Fazit: Top inszeniertes und gespieltes Stück, das jedoch mehr die literarische Vorlage auffrischen hätte können.
FAHRENHEIT 451 von Ray Bradbury
Bühnenfassung von Susanne Draxler und Mimu Merz
Regie Susanne Draxler | Regieassistenz Renate Vavera | Regiehospitanz Marissa Hübel | Dramaturgie Tina Clausen | Ausstattung Elisabeth Gressel | Bühnentechnik Andreas Nehr, Alexander Schlögl |Licht Hans Egger, Katja Thührriegl | Maske Beate Lentsch-Bayerl | Sound Mimu Merz | Videoregie Mimu Merz |Ton/Video Peter Hirsch | Mit Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert;
Mehr Informationen unter: https://www.dastag.at/fahrenheit451
Fotos: © Anna Stöcher
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