Werk X – Petersplatz /// 23. November 2019 /// Hauptsache Gemeindebau. Das Leben, der Tod, die Familie.
Das Leben (im Gemeindebau), der Tod und die Familie – ein Untertitel, der eigentlich schon alles über ein Stück mit vielen Emotionen und familiären Demaskierungen sagt.
Das Schema ist lange kein neues mehr: Eine Familie mit verlorengegangener Verbindung findet sich anlässlich des Vaters Tod zum Leichenschmaus zusammen. Was als nostalgisches Schwelgen beginnt, entfesselt ein Feuerwerk der Enthüllungen und aufgestauter Gefühle. Aus Trauer wird Schuldzuweisung und so beginnt das familiäre Chaos.
In diesem konkreten Stück geht es dabei um drei Schwestern aus einem Ottakringer Gemeindebau und deren verbitterte Mutter. Die Inszenierung beginnt mit einem Trauerzug, welcher fließend in die Gemeindewohnung übergeht. Dort nehmen die Angehörigen dann makaber an einem ‘Sarg’ Platz, um bei Kaffee und Keksen das Leben und die Ideale des Vaters zu diskutieren. Die sozialen Positionen der einzelnen Charaktere werden hierbei schnell aufgeklärt: Eine Tochter hat studiert, eine Tochter lebt am Land und die Dritte wohnt noch bei der Mutter im Gemeindebau. Jede hat so ihre familiäre Funktion, weshalb es wohl auch kein Zufall ist, dass sich ausgerechnet die Tochter ohne Rückgrat zu Beginn bei Tisch den Stuhl ohne Lehne heranzieht.
Begleitet von zwei Musikern, die auf einem Baugerüst über der Szenerie zu schweben scheinen, eröffnet sich im Stück eine wahre Ballade über das Leben im Gemeindebau. Die MA48, ‘Kameltreiber’-Nachbarn, kalter Entzug und das Rauchen in der Schwangerschaft werden debattiert, während die Vorurteile über ‘alles andere’ nur so fließen. Deutschland ist schlecht, Ausländer sind schlecht und “Aus Leberwurst kann man sowieso kein Marzipan machen”. Wenn der alte verranzte Gemeindebau aber einen neuen Anstrich über die Fassade bekommen soll, ist die Welt wieder selig, denn die armen Narren dürfen zumindest über die Farbe ihres Käfigs mitbestimmen.
Dieses halb tragische, halb komödiantische Milieu erinnert ein wenig an ‘Vier Frauen und ein Todesfall’ und ebenso charmant springt die Stimmung stetig zwischen Heiterkeit und Trübsinn herum. Am Ende bleibt für die Töchter jedoch nur noch der Groll gegeneinander und die kleine Familie scheint endgültig – wie ihre trockenen 1€ Kekse – auseinander zu brechen.
Fazit: Ein Theaterschmankerl für zwischendurch. Die Geschichte ist leider nichts Frisches, aber die Inszenierung dennoch aufregend und kurzweilig. Gefüllt mit einigen versteckten Analogien und vielseitigen Gesprächen bleibt das Entertainment für die Zuschauer*innen erhalten und der Theaterbesuch ein absolut lohnenswertes Abendprogramm.
HAUPTSACHE GEMEINDEBAU. DAS LEBEN, DER TOD, DIE FAMILIE.
Uraufführung einer ‘handikapped unicorns’ Produktion in Kooperation mit Werk X – Petersplatz und mit der Inszenierung von Andreas Stockinger.
Schauspiel: Josephine Bloéb, Lilli Prohaska, Sophie Prusa, Lisa Weidenmüller, Jan Hutter | Ausstattung: Daniel Sommergruber | Musikalische Leitung: Maximilian Zauner | Musiker: Franz Haselsteiner, David Mandlburger | Textfassung: Andreas Stockinger | Dramaturgie: Ursula Leitner | Regieassistenz: Mascha Mölkner
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Bildrechte: © Alexander Gotter