Kosmostheater Wien /// 20. November 2020 /// SWTT#4.1. | Digitaler Workshop der Initiative für Solidarität am Theater: How to be an Ally
Das Kosmostheater feiert sein 20-jähriges Bestehen als feministisches Theater mit der Veranstaltungsreihe „Stay with the trouble!“. In der Real Life Edition „Was können wir tun?“ stellt der Workshop “How to be an Ally” gelebte Solidarität der “Vereinzelung am Theater gegenüber: Wie kann ein solidarischer Raum gemeinsam gedacht, imaginiert und realisiert werden ?
Die Vereinzelung, ohne die kollektive Zusammenarbeit ist ein Phänomen von dem die Kunst- und Kulturszene, heuer besonders betroffen ist: leere Publikumssäale, keine Proben- und Produktionsarbeiten über Wochen hinweg, Personalabbau an großen Häusern, Wegbrechen von Aufträgen für Freischaffende und eine freie Szene, die durch die staatlichen Auffangnetze fällt. Vereinzelung lernen wir 2020 als Realität vor dem Home-Office-Bildschirm kennen, während ein vermeintlich offener, verbindender Zoom-Raum (digitale) Vernetzung schafft. Vereinzelung kannte das Theater schon davor: Hierarchische Verhältnisse, schlechte Produktionsbedingungen, (Selbst-)ausbeutung, unzureichende Repräsentation, alte, gläserne Decken, Gehaltsgefälle, Diskriminierung.
Tobias Malcharzi und Melmun Bajarchuu vom ensemble-netzwerk Theater diskutieren im Rahmen der Veranstaltungsreihe über Solidaritätsformen im kulturellen Bereich, die der Vereinzelung entgegenwirken können.
Von der Verortung zur Solidarität
Es gibt Orte in der Gesellschaft, an denen wir uns wohler als an anderen fühlen. Räume sind oftmals unausgesprochenen Regeln unterworfen und von hierarchischen Machtstrukturen und Beziehungen geprägt, derer man sich selten entziehen kann: im Arbeitsverhältnis, an einer Institution, auf der Straße und bei sich selbst. Im Workshop wird dieser Grundgedanke schon zu Beginn aufgegriffen, wenn es darum geht, sich selbst „zu verorten“. Vor dem Bildschirm in welcher Stadt auch immer, in einer persönlichen, coronabedingten Umbruchphase, im künstlerischen Schaffen.
Wie sieht der solidarische Raum aus, den wir uns wünschen? Wie kann ein Raum ohne Benachteiligung, Diskriminierung und ungleich verteilter Handlungsmacht aussehen, in dem trotz unterschiedlicher Meinungen gleiche Zugänge existieren? Wie können wir Solidarität intersektional denken und Leerstellen benennbar machen? Welche Abmachungen braucht dieser Raum, damit er funktioniert? Wo und wie positioniert sich jede*r einzelne in einer Gruppe? Wer spricht und wer darf zuerst sprechen?
“How to be Ally” – Von Solidaritsheld*innen
Vor diesem bewusst als Utopie imaginierten, solidarischen Raum werden aus dem eigenen Erleben konkrete Strategien entwickelt und diese zuletzt im eigenen Körper verankert und aktiviert. Klingt abstrakt, wird aber konkret am Beispiel des eigenen “Solidaritätsavatar”, einer Superheld*n, die gedanklich Gestalt annimmt, und die es bestimmt schafft sich solidarisch gegenüber einem selbst und anderen zu verhalten. Sie hilft dabei das Bewusstsein zu erweitern, eigene Privilegien zu erkennen, konstruktiv und solidarisch Kritik zu äußern und zu überprüfen. Sie zeigt einem die eigenen Abwehrmechanismen auf und kann Grenzen für sich und in einem gemeinschaftlichen Umfeld bestimmen.
Diese Strategien aus der (eigenen) Diskriminierungserfahrung sind im kulturellen Kontext als körperlicher Prozess zu verstehen. Nicht mehr ohne Solidaritätsavatare ins Theater gehen!
Mit: Tobias Malcharzi und Melmun Bajarchuu|
Kuration: Birgit Schachner, Veronika Steinböck|
Feministischer Journalismus: Solidarische Kritik und immer noch Kanon
Kosmostheater Wien /// 21. November 2020 /// SWTT#4.2. | Online-Diskussion: Feministischer Journalismus
Kulturjournalismus muss alles: Vermittlungsarbeit muss er leisten, kritisch muss er sein, Einordnung und Urteil soll er bieten, der Leser*in Vergnügen bereiten – so das Eingangsstatement von Therersa Luise Gindlstrasser. Er ist also überladen mit Erwartungshaltungen. Zu dieser Liste wird im Laufe der von Lea Susemichl geführten Diskussion noch einiges dazukommen: Selbstkritik soll geübt werden, Theaterrealitäten gehören verändert, herkömmliche Neutralitätsvorstellungen als chauvinistisch entlarvt, der Kanon umgeschrieben und als solcher entblößt werden. Mehr als berechtigt also, wenn Beate Hausbichler fragt: „Müssen wird das immer alles selber machen?“
Eine Absage an die Machtposition der Kritik gibt es dabei aber nicht: Deutungsmacht solle nichts Schmutziges sein, sagt Gabi Heft. Es gilt also weiterhin: Kritik üben – und zwar auch an all dem, das hinter dem Vorhang passiert: an Produktionsbedingungen, am Standort und an jenen, die Machtpositionen innehaben.
Text: Johanna Katharina Krause, Christine Mayrhofer