Burgtheater /// 9. Oktober 2020 /// Mein Kampf – Eine Farce
Über Hitler lachen – das kann man in George Taboris Stück “Mein Kampf – Eine Farce”, das im Burgtheater den Diktator als ein verwöhntes Riesenbaby zeigt. In den zwei Stunden Aufführung, in denen das Lachen im Hals stecken bleibt, gibt es aber auch langwierige Stellen.
Adolf Hitler kommt mit der Erwartung eines künstlerischen Durchbruchs als Maler nach Wien, wo er Quartier beim Juden Schlomo Herzl findet. Dieser betreibt zwar seine Witze auf Kosten des verwöhnten, naiven Muttersöhnchens, kümmert sich aber auch rührend um ihn und rät ihm sogar, sein Glück als Politiker zu versuchen. Das Wissen um die Auswirkungen dieser Idee auf die Weltgeschichte und das europäische Judentum hinterlassen nach dem Lachen einen bitteren Beigeschmack.
Der Adolf Hitler in Itay Tirans Inszenierung ist ein aufbrausendes Riesenbaby, ein Bild, das dadurch verstärkt wird, dass er auf der Bühne fast ausschließlich in Unterwäsche gekleidet ist, die einer Windel gleicht. Marcel Heuperman verkörpert die Mischung aus Naivität, Überheblichkeit und Impulsivität so eindringlich, dass die Figur einerseits lustig, aber andererseits unausstehlich ist. Seiner Darstellung gelingt es, Hitler weder lächerlich zu machen noch seine Figur zu verharmlosen.
Die grotesken Witze George Taboris erweitert Tiran leicht mit aktuellen Anspielungen, etwa wenn Hitler den Juden und den Radfahrern die Schuld an allem gibt. Auch mit der Musik setzt die Regie ein Statement: Aus einem alten Radiogerät erklingt zu Beginn Wagner (dessen Einfluss auf Hitler bekannt ist) und in der Schlussszene singen die Nazis ein israelisches Lied. Dazwischen wird eine Rede von HC Strache vor dem Kommentar “Die Geschichte wiederholt sich” eingespielt.
Das Witzefeuerwerk entfaltet sich und funktioniert jedoch nur in der ersten Hälfte. Seit Hitler die Bühne verlässt und sich das Geschehen auf Schlomo und seine minderjährige Geliebte Gretchen verlagert, nimmt die Spannung der Inszenierung ab. Diese Episode trieft nicht nur vor Sexismus, vor allem wegen der Reduzierung der Frau auf “Heilige oder Hure”. Zudem trägt sie kaum etwas zur Handlung oder zu den Charakteren bei.
Im Verhältnis zum Beginn des Stückes, das sich langsam, aber fesselnd entwickelt, wirkt das Ende überhastet. Von einer Szene auf die andere agiert Schlomo plötzlich als Diener für Hitler, diese Entwicklung ist nicht nachvollziehbar und überrascht das Publikum. Die Endszene inklusive weiblichem Tod ist verwirrend, da nicht klar ist, ob sie nach einem Zeitsprung stattfindet oder gar nur ein Produkt Schlomos Imagination ist. Das erschwert das Nachvollziehen der Handlung, da die Ereignisse der letzten Viertelstunde außerdem sehr chaotisch sind.
Verzichtenswert ist auch der Auftritt eines echten Huhns, das kaum Relevanz für die Handlung hat. Die mündliche Beschreibung seiner Schlachtung ist nicht nur für Vegetarier*innen kaum zu ertragen. Versteht man das Huhn als Symbol für das Judentum nicht, wirkt dies nach einem platten Versuch, vor dem Humor nicht die nationsozialistischen Gräuel zu vergessen.
Fazit: Nach einer tollen ersten Hälfte erschwächt die Inszenierung; die schauspielerische Leistung Heupermans ist so unangenehm, dass sie großartig ist.