TAG /// 29. April 2023 /// Menschenfeind
So cool wie ein Pop-Up-Schwimmingpool: Fabian Alder verwandelt am TAG Moliéres “Menschenfeind” in eine kunterbunte Parodie auf unsere Gesellschaft mit großartigem gereimten Text.
Alcest (Jens Claßen) ist der “Menschenfeind”: Sein Zynismus eckt an und stört seine Beziehung zu Célimène (Lisa Schrammel), einer erfolgreichen Marketingexpertin. Im Moment ihres größten Erfolges, der Bestellung zur Kampagnenchefin der GÖP (Grünökologischen Partei), provoziert er ihre Kolleg:innen und Vorgesetzte so sehr, dass das Treffen in Streit endet und Célimène ihn tief enttäuscht vor die Tür setzt. Um sie von ihrem vermeintlich hohen Ross zu stoßen, ist er nun bereit, eine Intrige gegen seine Freundin von ihren Mitarbeiter:innen und Konkurrent:innen zu unterstützen.
Im Gegensatz zu Moliéres Vorlage ist Alcest in der Bearbeitung von Fabian Alder nicht die Hauptperson des Stückes, sondern der Aufhänger für eine Parodie auf die opportunistische, heuchlerische Medien- und Politikwelt. Eine der besten Szenen des Stückes ist als Célimène und ihre Konkurrentin Arsinoé (Ida Golda) sich Gemeinheiten unter einer perfekt lächelnden Fassade austauschen, die anschließenden Möglichkeit zur Rache feiert Arsinoé mit einem grandiosen teuflischen Lachen.
Optisch jedoch ist Alcest der “Normale”: Er ist als einziger leger in Jeans und T-Shirt gekleidet, während das Kostüm von Katia Bottegal bei den anderen Charakteren mit unkonventionellen Ideen überzeugt: Die Frauen tragen Barockperücken, die Männer goldene Leggings mit Federoberteil und die Vorsitzende der GÖP (Ida Golda) einen Hut aus Plastikflaschen. Knallige Farben sind auch in der Ausstattung (Bühnenbild: Thomas Garvie) präsent: Hauptszenerie bildet eine gelbe Treppenkonstruktion inklusive Rutsche.
Neben den Kostümen ist das Highlight des Stückes der Text von Fabian Alder, der mit Endreimen besticht. Einige Male werden auf einer Meta-Ebene diese Reime selbst thematisiert: “Es reimte sich auf echt.” Beeindruckend, wie er es schafft, in modernen Versen sowohl Gesellschaftskritik wie Handlung zu übermitteln.
Leider nur sind manche Handlungsgänge nicht ganz nachvollziehbar und die Rollenbilder beinhalten Klischees: Die erfolgreiche, aber kalte und überhebliche Powerfrau, die tollpatschige Sekretärin (Michaela Kaspar), die für die Eroberung eines Mannes eine andere Frau bloßstellt, intrigante Frauen und sensible Männer (Georg Schubert, Markus Hamela), die als Witzfiguren dargestellt werden.
Davon abgesehen bildet “Menschenfeind” formidable Unterhaltung: Zwar ist dieses Stück weniger politisch als die letzten am TAG, aber es überzeugt mit überzeugenden Schauspieler:innen, intelligentem Wortwitz und einem kohärenten Gesamtbild aus Regie, Bühnenbild und Kostüm. Allein wegen des Textes ist diese Aufführung absolut empfehlenswert!
MENSCHENFEIND
Von Fabian Alder
Frei nach „Der Menschenfeind“ von Molière
Es spielen: Jens Claßen, Ida Golda, Markus Hamele, Michaela Kaspar, Lisa Schrammel, Georg Schubert | Text: Fabian Alder | Regie: Fabian Alder | Rollschuh-Choreographie: Riannon Clarke | Bühnenbild: Thomas Garvie | Kostüm: Katia Bottegal | Dramaturgie: Tina Clausen | Licht: Katja Thürriegl | Regieassistenz: Renate Vavera | Ausstattungshospitanz: Simon Pall | Kostüm- und Requisitenbetreuung: Daniela Zivic | Ton- und Videotechnik: Peter Hirsch | Bühnentechnik: Hans Egger, Andreas Wiesbauer, Manuel Sandheim
Mehr Informationen hier: https://www.dastag.at/menschenfeind
Nächste Aufführungen: Freitag 5. Mai, Samstag 6. Mai, Freitag 26. Mai, Samstag 27. Mai … jeweils 20h
Fotos: © Anna Stöcher