Kosmostheater / 26.Jänner 2022 / Mit Freundlichen Grüßen Eure Pandora
Das Kosmos-Theater präsentiert ein empowerndes, feministisches Pop-Stück und konfrontiert uns mit einer utopischen sowie einer dystopischen Welt.
Salome definiert sich als non binary und arbeitet als Sexarbeiter*in; Valeria erlebt, wie ihre Pubertät nicht nur ihren Körper, sondern auch den Umgang Anderer mit ihr verändert; Popstar Joanna erreicht in ihren sozialen Netzwerken Millionen junger Fans; ihre Freundin Eva forscht an einer Fortpflanzungsmethode ohne Beifügung von Samen. Zu dieser Gruppe gesellt sich Baubu, großartig komödiantisch gespielt von Maria Hofstätter, welche die Last von tausenden Jahren Patriarchat zum Jucken bringt. Gemeinsam verfassen sie die „Notizen zum Ende des Patriarchats“ oder auch „Der weiße Kai“. Nach Evas Forschungsdurchbruch treten bei den Frauen* jedoch Diskussionen über die Konsequenzen einer Fortpflanzung ohne männlicher Beteiligung auf: Würde das eine Büchse der Pandora öffnen, Männer obsolet machen und aussterben lassen? Würde diese genaue Definition von Männern nicht erst recht Binarität festschreiben?
Neben dieser losen Handlung teilt das Ensemble eindringliche Erfahrungen aus dem Leben von Frauen*. Das beginnt mit einer Videoeinstellung zu Beginn, als die fünf Darstellerinnen (da noch in Rokoko-Kostümen mit Perücken, weißer Schminke und Reifrock) verkünden, welche Tätigkeiten Frauen*, limitiert auf das häusliche Leben, in der Reproduktionsarbeit jahrtausendelang durchführen mussten. Jetzt aber warnen sie:
„Guten Abend/da sind wir/wir haben uns rausgelassen/und wir haben vor, uns auszubreiten.“
Diese chorischen Rezitationen wiederholen sich, nachdem sich die Frauen ihren Kostümen erledigt und sie mit individuellen, zu ihrem Charakter passenden Outfit ersetzt haben. Besonders bewegend sind die geteilten Fotomomente von Erinnerungen an Sexismus und Übergriffen, denen Frauen* allen Alters ausgesetzt sind. Auch gehen die Sequenzen mit „Ich schämte mich“ nahe, die wiedergeben, wie sehr Frauen* im Alltag immer wieder beigebracht wird, die Schuld in sich selbst zu suchen, anstatt in dem Verhalten der Männer* und dem Patriarchat. In einer anderen Szene lernen die Protagonistinnen das “Nein”-Sagen.
Neben den tollen Charakteren, der spannenden Handlung, dem Teilen von Sexismuserfahrungen und den Träumen von einer utopischen Zukunft, irritieren ein paar zu kurze, abgehackte, immer wieder durch Verdunkelung und Positionswechsel unterbrochene Szenen, deren Bedeutung für die Intention des Stückes nicht klar wird. Auch kommt die angekündigte Diskussion über die Welt ohne Männer zu kurz in einem ohnehin nur 75 Minuten dauernden Stück.
Abgesehen davon bietet der Text von Laura Naumann, gespielt von großartigen Schauspielerinnen, einen rundherum empowernden Abend, der in der Inszenierung von Paul Spittler mit Videos und Liedern sehr leichtfüßig und modern ist.