TAG /// 4. Oktober 2021 /// Ödipus – Eine Kriminalkomödie
Der Nerd Ödipus, die Rebellin Antigone und die Rätsel des Zwillingspaares Sphinkt: Das TAG nimmt sich erneut eines klassischen Stücks an und verwandelt “Ödipus” in eine “Kriminalkomödie” der 70er Jahre mit Slapstick, Wortwitz und Tiefgang.
Zu Beginn des Stückes führt ein Chor in den Ödipusmythos ein: Ödipus wurde von seinen leiblichen Eltern Iokaste und Laios abgegeben, nachdem ein Orakel verkündet hatte, dass er seinen Vater töten und mit seiner Mutter zu Bette gehen würde. Danach ist die Vorstellung in zwei Hälften gegliedert.Es handelt sich jeweils um eine Feier: Zunächst jene von Iokaste und Laios, während dessen er verschwindet und sie Ödipus kennenlernt, mit dem sie 18 Jahre und vier Kinder später eine zunächst parallel ablaufende Party austrägt. Der größte Unterschied ist jedoch, dass nun die Gäste ausbleiben, da ein Virus in Theben herumgeistert, das nur besiegt werden kann, wenn der Mörder von Laios gefunden wird.
Das alles geschieht in einer bürgerlichen Wohnung der 70er Jahre, die genauso wie die Kostüme detailreich und authentisch mit einer kleinen Überzeichnung gestaltet sind. Das Herzstück des Stückes sind die großartigen Charaktere, die das Regieduo Kaja Dymnicki und Alexander Pschill entwarfen und sich dafür auch anderer griechischer Mythen bedienten: Ödipus, verhätschelt von seinen Zieheltern ist ein Nerd mit Hornbrille, Pollunder und kurzen Sporthosen, der Rätsel und seinen Zauberwürfel liebt, aber für jede Entscheidungsfindung ein Telefonorakel benötigt. Antigone ist ein verzogener, rebellischer Teenager, der sich um die Zukunft sorgt. Zumindest grobe Kenntnisse über griechischen Dramen sind notwendig, um auch die Interpretation von Kreon zu verstehen, der immer wieder mehr oder weniger subtil seine Herrschaftsambitionen anklingen lässt.
Die zwei Stunden verlaufen kurzweilig – Einzig bei dem Auftritt des Sehers Theiresias ist die Inszenierung über das Ziel hinausgeschossen, seine sich wiederholenden Anfälle sind die einzigen langwierigen Stellen. Immer ist das Schicksal präsent, indem bei denkwürdigen Aussagen ein Donner die Anwesenden innehalten lässt oder – rasch korrigierte – Freudsche Versprecher Wahrheiten enthüllen. Doch nicht nur mit Slapstick und Wortwitz brilliert die Bearbeitung von Dymnicki und Pschill, auch politische Botschaften kommen vor, gerade aus dem Mund der aufmüpfigen Antigone, die den Generationenkonflikt anspricht. Und der Grund für das Aufeinandertreffen von Ödipus Zieheltern mit seinen leiblichen ist der Wunsch des Herrschers Laios einen unliebsamen Korruptionsstaatsanwalt loszuwerden.
Auch die Basisdemokratie wird nicht nur angesprochen, sondern insofern ausgeführt, als Darsteller das Publikum über ihre weiteren Handlungen abstimmen lassen. Am Ende löst sich das Stück von den unfehlbaren Voraussagungen und hält fest, dass die Menschen über ihrem eigenen Schicksal stehen.
Fazit: Fulminant gespieltes, ausgestattetes und inszeniertes Stück, das zudem mit vielen Details besticht.