TAG/// 12. Februar 2024 /// Odysee – eine Heimkehr
Nach 20 Jahren Krieg und Irrfahrt ist alles anders: Das TAG inszeniert Odysseus’ Heimkehr auf eine kritische Weise mit Takt und Tanz.
Wer eine gewohnte Überschreibung eines Klassikers am TAG erwartet, wird enttäuscht werden, da es sich bei „Odyssee – eine Heimkehr” im Grunde um eine Performance handelt. Nach der Einleitung, in der Gerd Schubert Homers Ilias und Odyssee als Vorgeschichte zusammenfasst, dauert es 30 Minuten, bis erneut gesprochen wird. Dazwischen schaltet Schubert zunächst nach und nach 21 Metronome ein, die in unterschiedlichen Rhythmen schlagen. Sie symbolisieren die 21 Jahre, die Odysseus von seiner Heimat Ithaka abwesend war. Das Publikum hat ausreichend Zeit, um zu dieser Analyse zu kommen, da in den folgenden Minuten nichts als dieses Ticken passiert. Nach anfänglicher Unruhe scheinen die Zuschauer:innen durch das regelmäßige Geräusch in einen Gedankenprozess zu versinken, sodass es dauert, bis sie realisieren, dass die Metronome allmählich aufhören zu ticken.
Als alle Schauspieler:innen anschließend auf die Bühne kommen, kommunizieren sie zunächst tanzend, ehe sie in die Rollen der Personen, die Odysseus bei seiner Ankunft erkennen, schlüpfen. Da sind sein Sohn Telemachos, seine Frau Penelope, sein Hund Argos, die alte Amme Eurykleia und der Schweinehirt Eumaios. Sie geben ihre Perspektive auf Odysseus’ Heimkehr wieder, während sie eine bestimmte Bewegung ausführen, die von den anderen Darsteller:innen kopiert wird.
“Heimkehr ist nicht ankommen.”
In den Texten von Joachim Schloemer dekonstruieren sie die Heldenbilder über Odysseus. Besonders eindringlich sind dabei die Szenen von Penelope (Michaela Kaspar), die das Blutbad beschreibt, das ihr Ehemann unter den Freiern, aber auch sämtlichen Frauen, die sich mit ihnen eingelassen hatten, anrichtet. Odysseus hingegen inszeniert sich als Held und Hausherr: “Ich, ich, ich”
Nach einem plötzlichen, krassen Schnitt wird das Stück in die Gegenwart verlagert: Odysseus ist jetzt eine von Lisa Schrammel dargestellte Kriegsveteranin, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen hat. Sie versucht, ihnen zu entkommen, aber auch die alltäglichsten Handlungen triggern sie. So zeigt die Inszenierung einen wichtigen, oft vernachlässigten, Aspekt von Krieg auf.
Fazit: Das Stück streicht die negativen Seiten Odysseus’ und die psychischen Folgen des Krieges heraus, verbleibt aber zu lange eine Performance, während es, auch akustisch, schwierig ist, dem Text zu folgen.
Odyssee – Eine Heimkehr
Von Joachim Schloemer
Frei nach Homer
Text: Joachim Schloemer | Regie: Joachim Schloemer | Ausstattung: Anne-Sophie Raemy | Musik: Tom Schneider | Dramaturgie: Tina Clausen, Isabelle Uhl | Licht: Katja Thürriegl | Regieassistenz: Renate Vavera | Kostüm- und Requisitenbetreuung: Daniela Zivic | Tontechnik: Peter Hirsch | Bühnentechnik: Manuel Sandheim, Andreas Wiesbauer |
Es spielen Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Lisa Schrammel, Georg Schubert
Weitere Infos hier: Odyssee – Eine Heimkehr – dasTAG.at
Nächste Aufführungen: Dienstag 23. und Mittwoch 24. April 20h
Fotos: © Anna Stöcher