Kosmos Theater /// O Kosmos! /// 2.November 2022
“Das hier ist kein Theaterstück, es ist ein Experiment” stellt tangent.Collaborations gleich zu Beginn der Stückentwicklung “O Kosmos!” klar, das sich zu einer Reflexion und Spiel mit dem Kosmos Theater auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt.
Die Darsteller:innen Anne Kulbatzki und Christoph Rothenbucher treiben als Engel in dem Kosmos Theater, der krisenbedingt ins Wanken geraten ist. Einmal mehr ist diese Krise die Pandemie, die uns ein anderes Zeitverständnis aufgedrängt hat. Zeit und Raum sind zusammengeschrumpft, wir müssen uns mit dieser Gegenwart auseinandersetzen und lernen, den Moment und die Präsenz der Dinge zu genießen. Ausgehend davon verhandeln die Perfomer:innen den Sinn von Theater: Dabei stellen sie Vergleiche auf, reflektieren, tanzen, improvisieren, verkleiden sich und zeigen uns, was Theater alles kann: Andere Wahrheiten aufzeigen, Illusionen erzeugen, Emotionalität teilen und so viel mehr.
Die allmächtige Zeit ist auf der Bühne immer präsent: Eine gigantische Sanduhr lässt das ganze Stück hindurch Sand wie Regentropfen fallen. Die Schauspieler:innen spielen teilweise mit diesem Sand als Symbol für Zeit, lassen sich von ihr berieseln, die meiste Zeit ist der Sand aber als Zeitmahnung anwesend und die Zuschauer:innen ahnen, dass das Ende des Stückes das Ende des Auslaufens der Sanduhr sein wird.
Neben der analogen, ältesten Art der Zeitmessung gibt es auch die digitale, modernste im Rahmen eines projizierten Handys. Aber Achtung, die Digitalanzeige gibt nicht immer die tatsächliche Zeit wieder! Das Handy dient auch als verlängertes Auge, als Spiegel oder als Stoppuhr und ist ein Teil einer technisch sehr motivierten Inszenierung, bei der auch Licht- und Toneffekte intensiv genutzt werden; die akustischen Spielereien verlaufen manchmal jedoch an der Schmerzgrenze.
Der Einbezug von Ton und Licht passt zu “O Kosmos!”, das die Teilbereiche von Theater personifiziert und ihre Beziehung untereinander thematisiert: “Das Bühnenbild liebt den Vorhang.” Die lustigste Szene ist die, als Anne Kulbatzki als Lüftungsanlage zu ihren Arbeitsbedingungen am Theater gefragt wird, die Nebelmaschine ist dabei ihr größter Konkurrent. Ebenso wird die Souffleuse aktiv eingebaut und das Publikum bekommt die Unterbühne zu sehen.
Und auf der Schauspielebene? Die Darsteller:innen meistern die Herausforderung eines einstudierten Stückes, das den Schein der Improvisation wecken soll, mit Bravour: Sie bleiben immer authentisch und verleihen dem Stück eine Leichtfüßigkeit, auch wenn es in Metareflexionen gleitet. Die Frage, was Theater nun wirklich ist, bleiben sie uns schuldig, doch das tut nichts zur Sache, da diese Stückentwicklung dank spannender Gedanken, interessanter Ideen und sympathischer Schauspieler:innen einen kurzweiligen, lustigen Abend beschert.
O KOSMOS! Eine Versuchsanordnung
Eine Stückentwicklung von tangent. COLLABORATIONS in Koproduktion mit Kosmos Theater
Regie: Kathrin Herm | Raum- & Kostümgestaltung: Mirjam Stängl | Klangkomposition, Sound- & Lichtdesign: Max Windisch-Spoerk | Schlagzeug (Einspielung): Maximilian Erler | Künstlerische Mitarbeit: Michèle Tacke | Mitarbeit Sound- & Lichtdesign: Katharina Hochreiter | Choreografische Beratung: Mirjam Klebel | Produktion: Julia Haas, Mascha Mölkner
Mehr Informationen hier: https://kosmostheater.at/produktion/o-kosmos/
Fotos: (c)BettinaFrenzel