Volkstheater Wien/// 15. Februar 2020 /// Schuld und Söhne
Das Volkstheater verbindet mit “Schuld und Söhne” Dystopie, politische Phrasen und Analysen zu einer nachhaltigen “Klimatragödie mit Musik”.
Als die Städte unerträglich heiß wurden, haben sich sieben Menschen in ein Grundstück auf dem Land zurückgezogen. Dort leben sie autark nach dem Prinzip “Schone und teile”, Ressourcen dürfen nicht verschwendet werden: Geduscht wird einmal die Woche, jede*r Bewohner*in hat Anspruch auf eine halbe Stunde Internetnutzung alle sieben Tage. Doch als immer mehr Menschen Schutz in der Kommune vor den unmenschlichen Lebensbedingungen suchen, wird ihr Prinzip des Teilens und der Basisdemokratie auf die Probe gestellt.
Neben den Vorgängen in der Gemeinschaft beinhaltet der Text von Christine Eder rückblickende Analysen, wie es zur Klimakatastrophe gekommen ist, und aktuelle politische Debatten wie Feminismus, Meinungsfreiheit und Migration. Zusätzlich kommentiert ein Chor nach Vorbild antiker griechischen Tragödien. Die Chortexte stammen von der Musikerin Eva Jantschitsch, die auch mit einem Lied auftritt. Leider nur mit einem Lied, denn Musik hätte dem Publikum helfen können, die vielen Fakten zu verarbeiten. Analysen und Diskussionen sind inhaltlich so dicht, dass kaum Zeit zu einer Auseinandersetzung mit den Informationen bleibt. Die Handlung ist in kurzen Szenen gesetzt, die immer mit dem Morgengebet an “Mutter Erde Gaia” beginnen. Hier hätten Chor und Musik ein Mittel sein können, um die Segmentierung und Wiederholung der Abläufe interessanter zu machen.
Die politischen Debatten konzentrieren sich auf Phrasendrescherei. Statt einer Diskussion werden Meinungen und Sprüche aus dem öffentlichen Diskurs in den Raum geworfen. Das ist zwar lustig für jene Zuschauer*innen, welche die Aussagen zuordnen können und sich selbst linksliberal einordnen, kann aber bei allen anderen auch in eine ungewünschte Richtung ausschlagen: Wenn ich beispielsweise Feminismus eh schon skeptisch gegenüberstehe, werde ich nicht potentiell durch die Rezitation viel gehörter Phrasen, ohne Erklärungen oder Diskussion, in meiner Meinung noch mehr bestärkt? Die Abstraktion ist zu gering, um die Botschaften zu entkräften und es geschieht keine inhaltliche Auseinandersetzung.
Die stärksten Szenen des Stückes sind tatsächliche jene, in denen eine Art Diskurs stattfindet. Dann etwa wenn sich “Alte” und “Junge” auch räumlich getrennt gegenüberstehen und sich mit ihrer jeweiligen Schuld an der Klimakrise konfrontieren, wobei sie sich gegenseitig als “Opfer” und “Boomer” beschimpfen.
Alte: Als es besser ging, haben wir uns gegönnt
Auto, Urlaub, Fernseher
Ein bisschen mehr Komfort als unsere Eltern.
Junge: Bequem, egoistisch und unreflektiert
Eure Welt: Luxuskreuzfahrt, Vollpension, Absicherung
Unsere Welt: Die Brösel am Boden vom Chipssackerl.
Zumindest hat die Inszenierung konsequent ihre politischen Prämissen umgesetzt: Für die Kostüme griffen Heike Kovacs und Sun li Lian Obwegeser auf Second-Hand-Stücke zurück, die sie auch ausschließlich mit Fahrrad transportieren ließen. Unklar bleibt, warum in einer nachhaltigen Modewelt Männer Röcke und alle Menschen insgesamt furchtbar zusammengewürfelte Outfits tragen.
Fazit: Die innovative Idee hat unterhaltsame Momente, scheitert aber in der Umsetzung an zu kurzen Szenen, zu viel Phrasendrescherei und dem Mangel an der angekündigten Musik.