Theater Drachengasse // 27. November 2023 // The P-Word
Mit original britisch-pakistanischen Akzenten importiert das Theater in der Drachengasse einen Bühnenerfolg aus London. Zwei junge schwule Männer mit gleichen Wurzeln, aber unterschiedlichen Schicksalen finden zueinander – und dabei auch ihre Identität.
Dem Stück des prämierten Dramatikers und Schauspielers Waleed Akhtar lässt das Produktionsteam des vienna theatre project zwar den Handlungsort London und die Sprache englisch, dennoch sind die Themen auch in Österreich hochrelevant: Es geht um Abschiebungen und Integration, Alltagsrassismus und Homophobie sowie höchstpersönliche und allgemeinmenschliche Probleme, die Ländergrenzen transzendieren. Trotz dieser ernsten Grundlage rollt im Minutentakt eine Welle von Gelächter durch das Publikum – zu überzeugend spielt Raj Garcha den toxisch-maskulinen Grindr-Veteranen Billy (der nur noch von seiner pakistanischen Familie Bilal genannt wird): „I’m not even into Pakis and I’d probably hook up with myself.”
Two-Men-Show
Die Produktion kommt mit zwei Schauspielern aus, neben Billy gibt es nur den anfangs ernsthaft-melancholischen Zafar (Diljohn Singh). Die beiden teilen nacheinander ihre ungefilterten Gedanken mit dem Publikum. Anfangs wirkt dieses dramaturgische Konzept ein bisschen gewöhnungsbedürftig und steril. Wir erfahren von Billys Dating-Eskapaden und Zafars Flucht aus Pakistan, wo seine Homosexualität den Tod bedeutet. Das Stück nimmt entschieden an Fahrt auf, als die beiden Männer einander endlich begegnen – ausgerechnet auf einer Pride-Party, die Zafar nur besucht, um seine Integration als homosexueller Mann in England zu beweisen. Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt: Die Figuren wirken in ihrer Interaktion miteinander viel authentischer und wachsen nicht nur einander, sondern auch den Zuschauer*innen ans Herz.
Das Innerste nach Außen
Die Leistung der Schauspieler ist umso mehr hervorzuheben, wenn man beachtet, dass es außer gelegentlichen Projektionen auf die Seitenwände des Zuschauerraums kein nennenswertes Bühnenbild gibt. In diesem kleinen Theater sind selbst Details in der Mimik entscheidend. Oft drängt sich dadurch die Frage auf, ob es die Explikation der Gedanken und Gefühle von Billy und Zafar in Form des veräußerten inneren Monologs überhaupt braucht, denn diese werden dem Publikum bereits rein durch die Performance klar übermittelt. Zunehmend wird sichtbar, wie die beiden Freunde stärkere Gefühle füreinander entwickeln.
A little help from my friends
Darin liegt vielleicht das Erfrischende in diesem Drama: Die Beziehung zwischen den beiden schwulen Männer ist in erster Linie eine Freundschaft, in der sie sich gegenseitig unterstützen. So hilft Zafar Bilal – wie er ihn nennt -, seine pakistanische Identität wiederzuentdecken und wertzuschätzen. Er bietet ihm emotionale Unterstützung, während Bilal materiell für seinen Freund sorgt, ihm die britische Kultur näherbringt und seinen Asylantrag begleitet, der auf dünnem Eis steht.
How to feel about a happy ending
Schließlich kommt es, wie es kommen muss: Zafar sitzt bereits im British Airways-Flieger, bereit für die Abschiebung nach Pakistan, als Billy einen kühnen Rettungsversuch startet. Es vermag kaum zu überraschen, dass dieser gelingt; zum krönenden Abschluss gibt es gar noch einen bollywoodreifen Kuss. Sekunden danach spricht der Schauspieler genau das aus, was der vor lauter Kitsch augenverdrehenden Zuseherin durch den Kopf geht: „I don’t know how I feel about this happy ending. We’re perpetuating a myth. How many people get pulled off a flight once they’re on?” Kurve gekratzt. Insgesamt schafft die Produktion einen überzeugenden Spagat zwischen Zafars existenziellen, systematisch begründeten Bedrohungen als homosexueller Pakistani und Billys first world problems, die oft für Lacher sorgen. Nicht belehrend, dafür umso unterhaltsamer bringt The P-Word große Themen in die Theaterwelt Wiens.
THE P-WORD
Text von Waleed Akhtar, österreichische Erstaufführung des vienna theatre project
Mit: Raj Garcha, Diljohn Singh | Text: Waleed Akhtar | Regie: Joanna Godwin-Seidl | Regieassistenz: Malin Alexandersson | Sound & Film: Dave Moskin
Mehr Informationen:
Drachengasse – Info und Tickets
vienna theatre project
Weitere Vorstellungen bis 9. Dezember 2023, jeweils Di-Sa um 20 Uhr.
Fotos: © Gernot Ottowitz