Volkstheater Wien /// 12. Oktober 2019 /// Der gute Mensch von Sezuan
Robert Gerloff präsentiert Brechts Parabel über Wohltätigkeit als zeitloses Stück mit überraschend viel Humor.
Drei Götter suchen nach einem “guten Mensch” und finden diesen in der Prostituierten Shen Te, die ihnen ein Quartier für eine Nacht bei ihrer Durchreise durch Sezuan gegeben hat. Als Dankeschön erhält sie eine stattliche Geldsumme, mit der sie einen Tabakladen eröffnet. Mit ihren finanziellen Mittel greift sie den Bedürftigen unter die Arme. Um aus dem Teufelskreis aus immer mehr Hilfesuchenden zu entkommen, nimmt sie die Identität eines Vetters an, der die Bitten der Mittellosen abweist. Als Shen Te jedoch von ihrem geschassten Liebhaber schwanger wird, ist das Verwechslungsspiel nicht mehr länger aufrecht zu halten. Während die Götter sich von sämtlicher Schuld reinwaschen, appelliert Shen Te an das Publikum, dass Bedingungen geschaffen werden müssen, damit Menschen überhaupt “gut” agieren können.
In den letzten Wochen vor einem (endgültigen?) Rauchverbot in Österreich, sind Zigaretten im Bühnenbild stark präsent. Bertolt Brechts Gesicht ziert das hohle Gestell, das als Kulisse dient und sich um die eigene Achse dreht. Aus seinen Mundwinkeln hängt eine überdimensionale Zigarre heraus, die ab und zu brennt. Eine Bedeutung dieser Zigaretten könnten ihr “Schall und Rauch” sein, der “das Fass ohne Boden” der Wohltätigkeit darstellt: Hilfe von Privatpersonen ändern nichts an gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen. Die Zigarren in der Größe eines Menschens stellen auch die einzigen Requisiten dar, alle anderen Objekte beschreiben die Schauspieler_innen pantomimisch. Auch Körperteile werden nie genannt, sondern ebenfalls mit Bewegungen dargestellt.
Die Band auf der Bühne unterstreicht diese sprachlichen Auslassungungen , indem sie die Geräusche der Bewegungen musikalisch untermalt. Alles in allem ist die Musik (mal wieder) eines der Highlights am Volkstheater. Neben den originalen Liedern des Stückes werden Liedfragmente in unterschiedlichen Variationen präsentiert. Für innovativere Einfälle ist ebenso Platz, etwa wenn gewisse Aussagen singend betont werden oder ein Element aus “Bohemian Rhapsody” gesungen wird.
Das ist (neben einem Zitat zu illegalen Teigtascherlfabriken) die einzige aktuelle Anspielung. Das Bühnenbild, die Kostüme und die Charaktere sind zeitlos, auf diese Weise wird vermittelt, dass die Parabel unabhängig von Zeit und Ort gültig ist.
Fazit: Getragen von einem fantastischen Ensemble, toller Musik und unterhaltsamen Details wird die dreistündige Aufführung zu einem kurzweiligen Abend, ohne dass die Aussage des Werkes verloren geht.
DER GUTE MENSCH VON SEZUAN
Bühne: Gabriela Neubauer
Kostüme: Johanna Hlawica
Musikalische Leitung: Imre Lichtenberger Bozoki
Dramaturgie Veronika Maurer
mit Nils Hohenhövel (Der dritte Gott/Der Schreiner Lin To/Der Arbeitslose), Isabella Knöll (Frau/Nichte der achtköpfigen Familie/Teppichhändlerin), Steffi Krautz (Frau Yang/Die Hausbesitzerin Mi Tzü), Andreas Patton (Der erste Gott/Der Babier Shu Fu), Gertrud Roll (Die Witwe Shin), Claudia Sabitzer (Shen Te), Jan Thümer (Der zweite Gott/Yang Sun/Bruder der achtköpfigen Familie), Lukas Watzl (Wang, ein Wasserverkäufer/Mann der achtköpfigen Familie), Günther Wiederschwinger (Polizist/Großvater), Constanze Winkler (Neffe der achtköpfigen Familie/Teppichhändler/Kellner), Imre Lichtenberger-Bozoki, Raphael Meinhart/Florian Klinger, Oliver Stotz (Musiker)
Fotos: © www.lupispuma.com / Volkstheater
mehr Informationen hier: http://www.volkstheater.at/stueck/der-gute-mensch-von-sezuan/