Theater Spielraum /// 14. Februar 2024 /// „Wir töten Stella“
„Stella ist tot“ – doch wer hat „das kleine Mädchen von damals erwürgt“? Nicole Metzger entfesselt gnadenlos Marlen Haushofers düstere Erzählung „Wir töten Stella“ auf der Bühne des Theater Spielraum. Ein Abend voll beklemmender Intensität und psychologischer Abgründe, der das Publikum mit der unerbittlichen Frage nach Schuld und Verantwortung konfrontiert.
Zwei Stühle und ein Hocker, unbefleckt und gläsern stehen sie bereit, um von der Kernfamilie, Richard (Peter Pausz), Anna (Alice Schneider) und Wolfgang (Edward Lischka) besetzt zu werden. Hinter ihnen schweben Vorhänge von durchschimmernder Zartheit, wie Schleier der Vergänglichkeit, einem verhangenem Altarbildnis gleich. Ihr mattes Weiß verströmt eine Aura der Melancholie, während sich zwischen den Familienmitgliedern unausgesprochene Spannungen langsam entfalten. Abseits der Bühne ist eine Treppe auszumachen, es wird Stellas Nebenzimmer sein, ein steiler Ort für die Haupt- und doch Nebenfigur Stella (Isabella Kubicek), der Aufstieg und Fall unmittelbar bevorstehen.
Das Stück „Wir töten Stella“ von Nicole Metzger erkundet die unzähligen Tabus des menschlichen Lebens, insbesondere die Kollision von Ordnung und Existenz. Die junge Gaststudentin „Stella gehört zu den Lebenden“, obwohl ihr tragisches Schicksal von Anfang an besiegelt scheint. Die Schuld, sie sollte schwer auf Richard lasten, einem widerwärtig charismatischen Anwalt, der die Familie beherrscht und besitzt. Er ist ein „Verräter“, „Mörder“, ein „Ungeheuer“, dessen „großer Körper da ist, um zu nehmen und zu schänden“. Doch die Schuld, sie lastet auf Anna, seiner Frau, die zunehmend in die Rolle der narrischen Mutter gedrängt wird, während Wolfgang, ihr gemeinsamer Sohn, sich als einziger gegen Richards Terror auflehnt. Die familiären Dynamiken sind geprägt von Gewalt, Unterdrückung und ungesagten Wahrheiten, während Stella, die immer mehr als Fremdkörper betrachtet wird, die sorgsam gehütete Ordnung stört. Der tragische Höhepunkt des Stücks manifestiert sich in Stellas schrecklichem Schicksal, das die Familie endgültig in den Abgrund reißt. Durch eine eindrucksvolle Inszenierung und subtile bühnentechnische Symbolik werden die Themen von Schuld, Verrat und Einsamkeit in dieser düsteren Familienchronik tadellos zum Ausdruck gebracht.
Das Schauspiel besticht durch seine nuancierte Darstellung der menschlichen Abgründe in gebieterisch patriarchalen Regimen. Die Schauspieler*innen verkörpern ihre Rollen mit einer überwältigenden Intensität, die das Publikum in den Bann zieht. Besonders hervorzuheben ist die Performance von Alice Schneider als Anna, die mit beeindruckender Präsenz und emotionaler Tiefe überzeugt. Ebenso brilliert Isabella Kubicek als Stella mit ihrer eindringlichen Darstellung der verletzlichen Hauptfigur, die zwischen Unschuld und Verzweiflung gefangen ist. Auch Peter Pausz und Edward Lischka bestechen in ihren Rollen als Richard und Wolfgang, indem sie die dunklen Facetten ihrer Charaktere wirksam zum Ausdruck bringen. Pausz verkörpert Richard mit einer beunruhigenden Mischung aus Charisma und Boshaftigkeit, während Lischka als Wolfgang eine zutiefst zerrissene Seele darstellt, die auf seiner Suche nach moralischer Integrität hin- und hergerissen ist.
Indem Stella als Untote ihre Unfallstelle vorderbühnisch rekonstruiert, zwingt sie uns dazu, uns in das kollektive „Wir“ einzufügen. Auch wir tragen Schuld an Stellas Tod, auch “wir töten Stella”, und tragen die moralische Verantwortung, uns gegen hegemoniale Macht zu erheben. „Wir töten Stella“ ist ein Theatererlebnis, das die Zuschauer*innen tief berührt und zum Nachdenken über Schuld, Moral und Verantwortung anregt. Eine klare Empfehlung die eindringliche Inszenierung im Theater Spielraum zu erleben und sich von ihrer Intensität mitreißen zu lassen.
WIR TÖTEN STELLA
Erzählung von Marlen Haushofer in der Bühnenfassung von Nicole Metzger in Eigenproduktion des Theater Spielraum
mit: Alice Schneider (Anna), Isabella Kubicek (Stella), Peter Pausz (Richard), Edward Lischka (Wolfgang) | Inszenierung und Bühnenfassung: Nicole Metzger | Ausstattung: Anna Pollack | Licht: Tom Barcal
Mehr Informationen hier:
https://theaterspielraum.at/wir-toeten-stella/
Weitere Termine:
14.2. bis 9.3. 2024, Mittwoch bis Samstag 20 Uhr (ca. 80 min)
Fotos: © Barbara Pálffy
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