Theater Nestroyhof Hamakom /// 20. Mai 2019 /// This Song Father Used to Sing (Three Days in May)
Zwei Geschwister treffen sich in drei politisch bedeutsamen Mai-Nächten im leeren Haus ihres verstorbenen Vaters. Während Brutalität und Militärdiktatur für tausende von Thailänder_innen körperlich wird, gedenken sie ihres coolen Vaters. Ein langsamer Abend, der die Kernfamilie der Mittelschicht ins Zentrum stellt.
Sie sitzen am kleinen Tisch am Fenster. Ein junger Mann schlürft Dosenbier, schaut ins Handy. Seine ältere Schwester sieht im Pyjama zum Fenster hinaus. Es ist vier Uhr früh. Es ist der dritte Todestag des Vaters.
Doch so sicher ist das nicht. Da sich beide entschieden haben, auf das Sterbedatum am Totenbild zu verzichten, verblasst mit den Jahren die konkrete Erinnerung. War es der 17. Mai, der 19. oder der 22., an dem ihr Vater starb? Genauso unklar ist, ob Vater seinen Reis lieber trocken oder gatschig mochte und wie er den Tee am liebsten zubereitete.
Bei Stücken, die aus einer so anderen Lebensrealität wie der einer thailändischen Mittelstandsfamilie mit chinesischen Wurzeln kommen, lohnt es sich, vor Stückbeginn ins Programmheft zu blicken. Hier erfährt man, dass die Daten nicht zufällig gewählt sind. Der 17. Mai 1992 ging als “Schwarzer Mai” in die thailändische Geschichte ein. Der 19. Mai 2010 als “Brutaler Mai”, nach dem die Gesellschaft nicht mehr dieselbe war. Und am 22. Mai 2014 übernahm wieder das Militär die Regierung des Landes. Die Links im Text bringen euch zu den Hintergründen.
Und was sehen wir hier im Nestroyhof Hamakom? 110 Minuten Konversation in Thai zwischen den Geschwistern, die Ähnlichkeit ihres Habitus, die Stille der Nacht. Ab und an fährt ein Zug draußen vor dem Fenster vorbei. Sie falten orangenes, golden bedrucktes Papier, singen Lieder, die ihr Vater für sie sang, rauchen mit dem Bild des Vaters eine, essen Kuchen, den er mochte und trinken Tee.
Fazit: Selten sieht man zwei Menschen so nah. Zwei Geschwister in der Intimität von Familie, deren Fixpunkt Erinnerung ist. In der Stille der Nacht strahlen Galaxiennebel, das romantische Licht einer Diskokugel verzaubert zu den Klängen von Teresa Teng das Publikum. Draußen sterben hunderte, tausende werden verhaftet und verletzt. Die thailändische Gesellschaft in Gefangenschaft. Drinnen: die Kernfamilie unter sich. Das ist schön, ruhig und sehr, sehr hart.
This Song Father Used to Sing (Three Days in May)
Text Wichaya Artamat, Jaturachai Srichanwanpen, Parnrut Kritchanchai Regie Wichaya Artamat Mit Jaturachai Srichanwanpen, Parnrut Kritchanchai, Saifah Tanthana
Bühne Ben Busarakamwong Technische Leitung, Licht Chettapat Kheankheo Musikvideo Atikhun Adulpocatorn Inspizienz Pathipon Adsavamahapong Produktionsleitung Sasapin Siriwanij
Fotos: © Wichaya Artamat.
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