Volkstheater Wien /// 18. Oktober 2018 /// Verteidigung der Demokratie
Richtig gruselig wird “Verteidigung der Demokratie” an den Stellen, die die neuen Sicherheitsgesetze thematisieren. Zwar können besorgte Bürger_innen im “Ministerium zur Verteidung der Demokratie” anrufen, die Antworten sind aber – wie aus der politischen Gegenwart bekannt – ausweichend.
“Wir freuen uns auf diesen Dialog!” grinst Thomas Franke in schmerzlich bekannter Manier. Was das Publikum in den 1h 45min dieses Theaterkonzertes lernt ist, wie verletzlich, aber auch wie imperialistisch Demokratie als machtregulierendes Instrument ist.
“All euer Tränengas, all euer Gummischrot, feuert es ab! Die Kinder warten schon.” singt Eva Jantschitsch aka GUSTAV in berührender Stärke und Präsenz. Parallel zur chronologischen Erzählung arbeitet sich die Musikerin mit drei Kolleg_innen an der Entwicklung elektronischer Musik ab. Die völlige Gleichsetzung von vorgetragenem Text und Musik funktioniert hervorragend. Scheinbar konzeptuell gesetzt, verstopfen die Text- und Theoriemassen zum Teil regelrecht die Gehörgänge. An der Spitze der Überforderung setzt immer wieder die Musik mit einfachen, zum Teil absurden, Wort- und Satzgebilden ein.
Die Basis der Erzählung bildet die Lebensgeschichte des Verfassers der österreichischen Verfassung, Hans Kelsen. Sein Text “Die Verteidigung der Demokratie” ist im Programmheft abgedruckt. Die folgende chronologische Entwicklung politischer Theorie im 20. Jahrhundert in Europa (mit kurzem Blick ins Chile des Jahres 1973) bleibt leider reine male history of thought.
Wo sind die Frauen der politischen Theorie? Katharina Klar darf als Kelsens Frau “Hallo” sagen und von ihrem Mann erzählen. Klar und Stöger (übrigens brillant als Sängerin mit grotesk verzerrter Stimme) rollen gemeinsam in unfreiwilliger Umarmung von Thomas Frank gefangen kurz die Augen, als dieser von Freiheit und Wohlstand der 50er Jahre spricht.
FAZIT: Der Verfassungsgerichtshof als wirklich gutes elektronisches Musik-Konzert. Ziemlich gute Me-time, wenn ihr mich fragt! Und natürlich Hirnfutter en masse.
VERTEIDIGUNG DER DEMOKRATIE
Regie: Christine Eder
Musikalische Leitung, Komposition, Liedtexte: Eva Jantschitsch
Bühne: Monika Rovan
Kostüme: Alice Ursini
Video: Philipp Haupt
Licht: Jennifer Kunis
Dramaturgie: Roland Koberg
mit Thomas Frank, Nils Hohenhövel, Katharina Klar, Christoph Rothenbuchner, Birgit Stöger, Eva Jantschitsch/ Lisa Kortschak (Elektronik), Didi Kern/ Michael Prehofer (E-Drums), Imre Lichtenberger Bozoki/ Simon Dietersdorfer (Synthesizer), Elise Mory/ Philipp Quehenberger (Synthesizer)
Bildrechte: Lupi Spuma / Volkstheater.
Mehr Informationen hier: http://www.volkstheater.at/stueck/verteidigung-der-demokratie/