Ich treffe die gebürtige Linzerin Nancy Mensah-Offei in der Wiener Pizzeria Frascatti zu einem kurzen Mittagessen. Mensah-Offei steckt mitten in den Schlussproben einer neuen Produktion am Theater an der Gumpendorferstraße. Ein Gespräch über Rassismus, seine Thematisierung am Theater und lustige You-Tube Videos.
Mensah-Offeis aktuelle Produktion hat am Samstag, 6.5. um 20:00 im Theater an der Gumpendorferstraße Premiere. – weitere Informationen unter: www.dastag.at
Vorstellungen Mai 8., 11., 12., 13., 23., 24., 31. (je 20.00) I Juni 3., 6., 7., 8. (je 20.00)
INTERVIEW NANCY MENSAH-OFFEI 1. MAI 2017, WIEN.
Clara Gallistl: Ich stelle mir eine Stückentwicklung zum Thema Rassismus so anstrengend vor!
Nancy Mensah-Offei: Ist es auch. Es ist meine erste Stückentwicklung. Ich glaube, eine Stückentwicklung über jedes andere Thema ist einfacher als über dieses, das sehr breit und groß ist. Es geht dann um Generationen, um Geschichte, Gegenwart, verschiedene Länder, Arbeitsmarkt und Haarpflege. Das sind so viele Aspekte. Es betrifft das ganze Leben. Rassismus ist für mich Faulheit. Dieses Nicht-Mitdenken-Wollen von vielen Menschen ist anstrengend.
CG: Habt ihr es irgendwie eingeschränkt?
NMO: Auf das Thema „Workspace“. Es geht um ein Assessment Center in Österreich. Zwei oder drei Leiter_innen sehen sich die Assessoren an und bewerten diese. Da kommt Diskriminierung natürlich nicht offen vor. Man versucht in dieser Situation, Rassismus zu umgehen.
Weiße Neger sagt man nicht – Der Trailer from TAG on Vimeo.
CG: Mich irritiert die Referenz auf Nestroy. Braucht es diese?
NMO: Die Referenz war die ursprüngliche Idee der Regie. Titus mit seinen feuerroten Haaren bekommt keinen Job. Erst als er eine blonde Perücke aufhat, kann er beginnen, seine Karriere zu bauen.
CG: Aber meine Hautfarbe kann ich ja nicht ändern wie eine Perücke.
NMO: Eh nicht. Aber das war die Idee. Esther hatte einen Text frei nach Nestroy geschrieben. Dann wurde entschieden, dass man um diesen Text herum eine Entwicklung baut. Es sind jetzt viele neue Texte dazugekommen.
CG: Ist es komisch, wenn so ein Projekt von einer Weißen Person kommt?
NMO: Es kommt darauf an. Volker Schmidt hat bei Schwarz-Weiß-Lila auch das Thema Rassismus verwendet. Dort ist es sich gut ausgegangen, weil es eine ganz andere Geschichte ist. Es geht um ein Kind, das eine andere Wahrnehmung hat. Das bedeutet, du kannst Dinge sowieso schon einmal anders auf der Bühne zeigen, weil du die Realität des Kindes annimmst. – Grundsätzlich finde ich es nicht komisch, wenn eine Weiße Person was zu dem Thema macht, aber die Person muss sich ausreichend mit dem Thema beschäftigt haben. Irgendwelche Hoppalas oder „Hab ich nicht gewusst“ kann es da nicht geben. Wie bei jedem anderen Thema finde ich, du musst wissen, wovon du sprichst.
CG: Bist du nervös wegen der Rezeption?
NMO: Ja. Und auch, wie das Stück letzten Endes wird. Wie das Stück ankommt, für Freund_innen, für mich, was man tatsächlich sieht, was man nicht sieht. Ich hab von Anfang an gesagt, der Titel macht solche Erwartungen, die kann man niemals erfüllen. Aber da war der Titel schon draußen. Er zieht sehr viel Aufmerksamkeit. Da kann man auch fragen, warum. Was erwarten die Leute? Und es ist mein Gesicht drauf. Ich spüre schon Anspannungen.
CG: Der Titel ist schwierig für mich (Anm. „Weiße Neger sagt man nicht“), weil ich denke, dass das Wort aus der Gesellschaft einfach weggehört. Das Wort ist Vergangenheit.
NMO: Ich habe einmal überlegt, was das schlimmste Schimpfwort für Weiße Menschen ist, das mir einfällt. Ich bin nur auf „Schwabo“ gekommen. So haben wir als Kinder Weiße genannt.
CG: Ich fühl mich jetzt nicht so emotional angegriffen von dem Wort.
NMO: (lacht) Scheiße!
CG: (lache) Sorry. – Seit einiger Zeit sage ich gerne „Weiße“ und merke, dass viele Leute das als irritierend empfinden, weil sie sich so als Hautfarbe erkennen. Ich finde halt diese Videos so lustig, in denen sich Schwarze und POCs lustig machen über die Weiße Kultur und sagen, die gehen immer zu Starbucks und kaufen sich Pumpkin Chai Latte, diese Hipster Kultur, die auch soviel in sich aufnimmt aus anderen Kulturen.
NMO: Ich finde amerikanische Kabarettist_innen zu dem Thema auch so lustig.
CG: Hast du das Gefühl, dass Amerika da weiter ist als Kultur?
NMO: Ja. Ich glaube schon. Weil dort mehr Schwarze Leute leben und in Österreich sagt man, dass man mit der Kolonialisierung und Sklaverei nichts zu tun hatte. Deshalb muss man nichts aufarbeiten.
CG: Trotzdem heißt es dann „Negerbrot“ und „Negerküsse“.
NMO: Genau. Das ist das Problem. In Amerika müssen sie sich damit auseinandersetzen. Aber in Österreich kann man sich – wie immer – elegant aus der Affaire ziehen. „Neger“ war nie ein neutrales Wort. Es wurde immer aufgedrückt. Es war immer eine negative Fremdbezeichnung.
Mensah-Offei und ich plaudern noch weiter über Spaghetti und Pizza bevor wir zum Café ins nahe Schadek weiterziehen. Die Sonne scheint endlich wieder über Wien an diesem ersten Mai. Premiere des Stückes ist am 6.5., in weniger als einer Woche. Ich bin sehr gespannt.
WEISSE NEGER SAGT MAN NICHT
URAUFFÜHRUNG
VON ESTHER MUSCHOL UND DEM TAG-ENSEMBLE
SEHR FREI NACH „DER TALISMAN“ VON JOHANN NESTROY
MIT: JENS CLASSEN, MICHAELA KASPAR, NANCY MENSAH-OFFEI, RAPHAEL NICHOLAS, GEORG SCHUBERT, ELISABETH VEIT
REGIE ESTHER MUSCHOL
TEXT ESTHER MUSCHOL UND ENSEMBLE
AUSSTATTUNG AGNES HAMVAS
DRAMATURGIE TINA CLAUSEN
MUSIK MANUEL MITTERHUBER
MASKE BEATE LENTSCH-BAYERL
REGIEASSISTENZ RENATE VAVERA
DRAMATURGIEASSISTENZ ALEXANDER TILLING
REGIEHOSPITANZ MARIE MARTIAL-PFEFFERLE
LICHTGESTALTUNG HANS EGGER