Studio Molière /// 25. Mai 2019 /// 3 Episodes of Life, Episode 2
Markus Öhrn stellt die Frage “What kind of Art do you want to consume?” und hinterfragt den Hype rund um narzisstische Künstler_innen, die wir zu Monstern heranziehen. Die Episode 2 der Silent Movie Theater-Trilogie geht um eine sexuelle Missbrauchs-Situation. Unangenehm.
Zu Beginn nimmt das per Handkamera geführte Bild die Zuschauer_innen in das Badezimmer mit, wo ein Mann mit seiner Intimrasur beschäftigt ist. Er wirkt aufgeregt und tollpatschig, doch dieser anfänglich fast sympathische Eindruck schwindet schnell, als er einer Frau die Hotelzimmertür öffnet und sogleich ein unangenehmes Balzverhalten an den Tag legt. Er schenkt ihr ständig Prosecco nach, füttert sie mit Prosciutto und betont durch schleimige Komplimente, dass ihr Talent bei ihm als Regisseur besonders gut aufgehoben ist. Auch wenn die Körperhaltung der Frau vermittelt wie unbehaglich ihr sein Verhalten ist, lässt sie alles mit sich machen. Selbst als die Situation zum sexuellen Übergriff führt wehrt sie sich nicht, liegt nur apathisch am Boden und klammert sich an dem Prosciutto in ihrer Hand.
Die Mittel der Inszenierung sind raffiniert eingesetzt und erzeugen eine Mischung aus Ekel, Überforderung und Scham. Dorit Chrysler und Arno Waschk unterstützen das unruhige Handkamerabild geschickt mit ihrer Live-Musik und es entsteht eine irritierende Atmosphäre. Die von den Darsteller_innen getragen Masken, verleihen dem Schauspiel eine groteske Note, da der Gesichtsausdruck sich nicht der Steigerung an Gewalt anpasst und bis zum Ende ein fratzenhaftes Lächeln dem Publikum entgegen schaut.
Man konzentriert sich auf die Körpersprache der Schauspielerin und des Schauspielers, die zeigt, wie weit gesprochene Worte von dem inneren Empfinden entfernt sein können. Der Mann bekommt 90% des Textes, den er mit einer Mischung aus Mansplaining und übergriffigen Witzen gegenüber der Frau füllt, die wiederum ihre 10% mit Selbstzweifel und Unsicherheit auslegt: Das wirft leider ein sehr klischeehaftes Geschlechterbild auf. Als verstörende Krönung der Misshandlung versucht sie nach dem Vorfall den Mann mit Sätzen wie „Du musst dich nicht schlecht fühlen. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.“ aufzupeppen. Nicht nur, dass die Frau sich nicht wehrt, sie rechtfertigt sein Verhalten, was laut Studien bei Missbrauchsopfern leider tatsächlich vorkommt. Das Stück versucht zu zeigen, dass Männer, wie Frauen gefangen sind in einem zutiefst verstörten Machtsystem, auch wenn dadurch der bittere Beigeschmack des victim blaming erzeugt wird.
Fazit: Es bleibt der Eindruck, dass das Stück weh tun soll und bewusst irritiert, da der einzig gesprochene Satz des Abends „Vielen Dank. Bis morgen“ wie in Episode 1 immer dann ertönt, wenn eine Person aus dem Publikum den Saal verlässt. Doch gerade bei dem Thema sexualisierte Gewalt durch Machtmissbrauch muss das ja nicht unbedingt falsch sein.
3 EPISODES OF LIFE
Episode 1
Konzept, Regie, Bühne, Video: Markus Öhrn
Komposition: Dorit Chrysler, Arno Waschk
Theremin: Dorit Chrysler
Klavier: Arno Waschk
Schauspiel: Janet Rothe, Jakob Öhrman
Special Guests: Florentina Holzinger, Netti Nüganen, Antonia Steffens
Masken, Kostüm, Requisite: Makode Linde
Text: Myra Åhbeck Öhrman
Tontechnik: Eskil Lövström
Regieassistenz: Sara Trawöger
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Bildrechte: (c) Nurith Wagner-Strauss