Volkstheater Wien /// 28.Februar 2019 /// Rojava
Das Volkstheater Wien widmet sich mit einem Stück über die kurdische revolutionäre Selbstverwaltung mitten im Syrienkrieg aktueller Thematik. Von all den spannenden Themen, die sich ergeben hätten können, geht es trotzdem großteils um romantische Liebe.
Der Titel des Stückes “Rojava” ist der Name der Demokratischen Föderation Nordsyrien, ein kurdisches Autonomiegebiet, das mitten im Krieg nicht nur gegen Feinde auf vielen Seiten, sondern auch für den Aufbau eines neuen Gesellschaftsmodells kämpft. Durch seine Freundin landet der Wiener Student Michael im Kriegsgebiet, wo er voller Idealismus für dieses neue Weltbild eintritt. Währenddessen möchte der Kurde Alan nur mehr ein Leben in Frieden aufbauen und flüchtet nach Wien.
Der Freiheitskampf der Kurden, der bis zur Besetzung des Gebietes durch die Türkei erfolgreich war, weckte viele Sympathien im Westen, auch wegen seines progressiven Systems, das sich um Basisdemokratie, Repräsentation von ethnischen Minderheiten, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit bemüht. Obwohl sich das Theaterstück im ersten Teil mit unterschiedlichen Standpunkten zwischen Idealismus und Desillusionierung, Sinn und Unsinn der Revolution sowie europäischer und syrischer Weltsicht beschäftigt, so dreht sich der zweite Teil fast ausschließlich um die (verbotene) Liebesbeziehung im Krieg zwischen Michael und seiner Kommandantin Hevin.
Diese Liebesgeschichte ist außerdem recht klischeehaft und vorhersehbar, womit sie sich nicht für eine Tragödie eignet. Lange Abschnitte des Stückes wollen eine Komödie sein, doch Text und Schauspieler_innen schaffen es nur in wenigen Momenten, das Publikum zum Lachen zu bringen. Der politische Hintergrund des Konfliktes sowie die Probleme des Aufbaus des neuen Gesellschaftsmodells werden nur spärlich behandelt und die Situation in Österreich vor der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber Asylwerber_innen ist nur eine Nebenhandlung. Somit fällt eine Einordnung des Stückes schwer.
Die Ideale, die Rojava vertritt, verbleiben bei Schlagworten. Oft wird die Gleichberechtigung der Geschlechter als ein Grundpfeiler der Gesellschaft erwähnt, dem folgen jedoch keine Taten: Nicht nur sind die Hauptfiguren Männer, die weiblichen Charaktere in Rojava vertreten das Bild einer “harten” Frau. Auch wenn dies in der kriegerischen Welt als Strategie zur Behauptung gegenüber den Männern plausibel ist, wären differenziertere Rollenbilder wünschenswert gewesen, um patriarchale Vorstellungen von “Macht” und “Stärke” zu hinterfragen.
Im Mittelpunkt stehen Frauen zwar nicht in den Sprechrollen, jedoch als Musikerinnen, welche die Handlung durchgehend begleiten und für eine emotionale Intensität sorgen.
Auch wenn vor dem Hintergrund des Autonomiegebiets Rojava eine tiefgründigere Auseinandersetzung mit vielen Themen und vielschichtigere Rollenbilder möglich gewesen wären, ist das Stück dennoch empfehlenswert, da es sich mit der realen, aktuellen Geschichte des Aufbaus einer neuen Gesellschaft mit seinen Herausforderungen und unterschiedlichen Ansichten auseinandersetzt. Dabei bietet es spannende Denkanstöße vor perfekter musikalischer Untermalung.
Rojava
von Ibrahim Amir
Regie: Sandy Lopičić
Bühne und Kostüme: Vibeke Andersen
Musik: Sandy Lopičić, Imre Lichtenberger Bozoki, Golnar Shahyar
MusikerInnen: Rina Kaçinari, Mona Matbou Riahi, Imre Lichtenberger Bozoki, Maria Petrova, Golnar Shahyar
Licht: Paul Grilj
Dramaturgie:Veronika Maure
mit Peter Fasching, Isabella Knöll, Sebastian Pass, Claudia Sabitzer, Luka Vlatković, Rina Kaçinari, Imre Lichtenberger Bozoki, Mona Matbou Riahi, Maria Petrova, Golnar Shahyar (Musiker/innen)
Fotos: www.lupispuma.com
Mehr Informationen hier: http://www.volkstheater.at/stueck/rojava/