Volx/Margareten/// 27.September 2019 /// Die Reißleine
Zusammenleben ist schwer, auch in Altersheim. In “Die Reißleine” im Volx/Margareten treffen zwei gegensätzliche Frauen mit erwartbaren Folgen aufeinander.
Abby hatte im Altersheim vier Jahre lang ein Zimmer für sich alleine, doch jetzt muss sie es mit Marilyn teilen. Nicht nur vermisst Abby ihre Einsamkeit, sie kann die neue Bewohnerin auch nicht leiden, denn die beiden Damen könnten unterschiedlicher nicht sein: Der kratzbürstigen, zynischen Abby steht die gutmütige, redefreudige Marilyn gegenüber. Abby möchte, dass Marilyn Zimmer wechselt, Marilyn wiederum hat ein Auge auf Abbys Bett am Fenster geworfen. Um ihre Wünsche zu erreichen, schließen die beiden eine Wette ab: Abby versucht, Marilyn zu verärgern und Marilyn Abby zu erschrecken. Mit einem verblüffenden Einfallsreichtum versuchen die beiden sturen Frauen ihr Ziel zu erreichen. Das läuft schnell aus dem Ruder.
Das Stück von David Lindsay-Abares ist so weit absehbar, dennoch sorgt es für emotionale Momente und Überraschungen. Außerdem unterhält Abbys Zynismus. In der zweiten Hälfte bekommt der Text mehr Tiefgang, weil die Frauen von wandelnden Klischees zu Persönlichkeiten mit einer Vergangenheit werden.
Mit kreativen Details schenkt die Regie von Anna Marboe der Geschichte Leben: Der Krankenpfleger Scotty düst mit einem Scooter durch das Heim, ein Fallschirmsprung wird mit Konfetti dargestellt, unterschiedliche Pflanzentypen symbolisieren die aktuelle Stadien von Abbys Verschlossenheit. So kreativ die Bilder sind, so viel besser könnten die Dialoge inszeniert sein: Die Bewegungen wirken steif und inszeniert, es fehlt die Dynamik.
Vielleicht wollte die Regie so auch die körperlicher Einschränkung der Seniorinnen darstellen, um einen stereotypischen Aspekt des Alters abzubilden. Denn sonst ist die Welt der Bewohnerinnen perfekt: Die Zimmer sind sauber, der Pfleger ist freundlich, die Frauen sind psychisch fit und Krankheit existiert nur im Scherz. Wenn diese Gesellschaftsgruppe Protagonistin ist, wäre es schön gewesen, auch auf deren Probleme aufmerksam zu machen und keine heile Welt vorzuspielen. Denn in einem Altersheim mit medizinischer Betreuung zieht man meistens mit gesundheitliches Problemen. Andererseits ist der angepriesene “schwarze Humor” kaum existent, obwohl die Szenerie passend dazu wäre.
Fazit: Kurzweiliges, jedoch seichtes Stück, für leichte Unterhaltung aber geeignet.
DIE REISSLEINE
von David Lindsay-Abaire
Deutsch von Anna Opel
Regie Anna Marboe
Bühne und Kostüme Helene Payrhuber, Sophia Profanter
Dramaturgie Doris Happl
mit Julia Jelinek (Colleen/Frau in Weiß), Erika Mottl (Marilyn Dunne), Julian Waldner (Scotty/Stimme von Lewis), Dominik Warta (Derek/Benjamin/Clown), Doris Weiner (Abby Binder)