„Geschichten sind Spiegel und Fenster“ (Laurie Penny) – Auf einem losen Kleiderhaufen erzählt eine weiße Schauspielerin vom Völkermord in Rwanda. Ich hasse, wie sie über ihre Erfahrungen als junge NGO-Mitarbeiterin mitten im Kriegsgetümmel spricht. Ich bin tief berührt von der Ehrlichkeit des Spiels. Mit großem Respekt vor dieser Arbeit von Anja Herden und Alexandru Weinberger-Bara darf ich Sie in den 5. Bezirk einladen.
Spotlights dieses Abends:
- Eine schwarze Frau auf der Leinwand erzählt von ihrem Leben. Ihre Eltern wurden im Bürgerkrieg von Rwanda getötet – mit einem Maschinengewehr, sie als junges Mädchen adoptiert nach Deutschland. Ohne political correctness erzählt sie im vollen Bewusstsein ihrer rassistischen Umwelt.
- Eine weiße Frau betritt den Raum. Sie darf in persona in diesem Stück mitspielen. Sie darf live sprechen.
- Warum erzählt sie – die Weiße – diese Geschichte? Wieder – wie immer – erzählen weiße Menschen von den „Problemen Afrikas“. Ich hasse wie sie sich das Recht herausnimmt, uns eine Einführung in zentralafrikanische Geschichte zu geben.
- Ein Bild, ich Tränen in den Augen: Eine junge NGO-Arbeiterin sitzt – völlig überrascht vom Ausbruch des Bürgerkrieges – im Hotelzimmer in Rwanda und hört Beethoven auf voller Lautstärke – fast unerträglich laut – um die Todesschreie der sterbenden Tutsi nicht zu hören.
- Es ist der 6. April 1994.
- Ich weiß wieder nicht, ob das funktioniert: Diesen megalangen Text, der von seiner Authentizität lebt, von einer Schauspielerin, die ihn auswendig gelernt hat, sprechen zu lassen.
- Das ist schon ein echtes Risiko: Einen dokumentarisch entstandenen Theatertext „nachspielen“.
- Anja Herden ist wow. Bist du deppad. Das muss einfahren. Ich glaube, ich habe selten so harte Schauspielarbeit gesehen. Sie stemmt den ganzen Abend ganz alleine und spielt immer gegen sich selbst.
- Oh Gott, die NGO-Arbeiter_innen mussten damals echt bekannte Kriegsverbrecher als Geflüchtete betreuen? Obwohl sie von ihrer Gräueltaten wussten?
- Ok. Ein Täter, der flieht vor dem Krieg ist auch ein Geflüchteter, der Schutz verdient.
- Die Entwicklungsgelder sind direkt in die Kriegsführung geflossen???
- Arg, eigentlich, dass dieser MEGA-Genozid, in dem 1 Million Menschen gestorben sind, in der Schule nicht unterrichtet wird. Wieso lernt man das bei uns nicht?
- #Ödipus: Die Weiße reflektiert. Wir tun so, als wüssten wir nicht, dass wir schuld sind an der Pest, die wir über die Stadt bringen. Was für ein metaphorisches Bild für White Guilt!
- Das Stück ist aus. Eine Erfahrung. Ich bin so froh, dass ich meinen Hintern heute hierher bewegt habe. Phu! Hut ab!
„Am Ende hängt es davon ab, wer die Maschinengewehre hat.“
Fazit: Highlight der Saison 17/18. Unbedingt ansehen!
VOLX/MARGARETEN
ÖSTERREICHISCHE ERSTAUFFÜHRUNG
Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs
VON MILO RAU
REGIE ALEXANDRU WEINBERGER-BARA
KOOPERATION MIT MAX REINHARDT SEMINAR
Bühne und Kostüme Julia Krawczynski
Sound David Lipp
Video David Lipp, Marvin Kanas
Mitarbeit Adrienn Ruborics
Dramaturgie Roland Koberg