Kosmos Theater /// 1. März 2019 /// SHE HE ME
Fragen, die wir alle schon gestellt haben, in unserer Unwissenheit, in unserer Unüberlegtheit. Diese Fragen wirft uns Amahl Khouri an den Kopf und schafft gleichzeitig einen intimen Raum, in dem wir Teil einer Möglichkeit werden, die von uns erlebte Welt neu zu sehen.
Eine blecherne Stimme aus dem Off erzählt von Platons antikem Teilungsmythos, ein Versuch, die sexuelle Orientierung aller Menschen zu erklären. Wir alle waren einmal Kugelmenschen. Dazu ein Sternenhimmel im Raum, die Schauspieler*innen liegen in einem Berg von Plüschtieren auf der sonst leeren, ganz weißen Bühne, fast übersieht man sie. Langsam beginnen die Körper sich aus der Geborgenheit der Stofffiguren zu lösen und das Stück beginnt.
Randa, Omar und Rok, die drei Hauptfiguren aus Amahl Khouris Stück „SHE HE ME“ werfen dem Publikum gleich zu Beginn alle Fragen und Vorurteile entgegen, mit denen sie schon ihr ganzes Leben konfrontiert werden.
„Was ist noch echt an dir?“
„Wie viel haben eigentlich deine Brüste gekostet?“
„Wie fickst du jetzt?“
Randa kommt aus Algerien. Geboren als Mann war sie dort verheiratet und hatte Kinder. Als sie sich als transsexuell erkennt und immer mehr für LGBTIQ-Rechte einsetzt, beginnt ihre Verfolgung. Omar ist homosexuell und lebt in Jordanien. Doch in der homosexuellen Szene trifft er auf die gleichen Stereotype, die er schon von den Heterosexuellen kennt. Rok empfindet sich als Mann. Seine Mutter erklärt ihm, dass eine Geschlechtsumwandlung „halal“ ist, außer bei ihm, da er in ihren Augen noch immer ihr kleines Mädchen ist.
Drei Schicksale, die stellvertretend für alle jene stehen, von denen die Gesellschaft nicht weiß, in welche Schublade sie zu stecken sind. Dabei wollen sie nur ein Teil des Plüschberges sein.
Amahl Khouri hat über mehrere Jahre Gespräche mit trans*-, inter*- und homosexuellen Personen im arabischen Raum geführt und daraus ein Theaterstück gemacht, in dem die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion nicht mehr erkennbar ist. Als Zuschauer fragt man sich, welche Erzählungen hat der*die Autor*in verändert, um einen dramaturgischen Höhepunkt zu erreichen? Die Beruhigung kommt am Ende, wenn Videoaufnahmen die echten Personen Randa, Omar und Rok zeigen.
Mit Humor und Leichtigkeit inszeniert Paul Spittler diesen zum respektvollen Umgang miteinander mahnenden Text. Nie verfällt er in ein belehrendes Pathos, die tragischen Momente werden von den komischen Szenen aufgefangen. Zügig wechseln die Szenen einander ab, alles im Tempo eines Musikvideos, der*die Zuschauer*in muss das Nachdenken auf später verschieben. Mit dem Coming-out beginnen die Figuren, arbeiten sich durch die Auseinandersetzungen mit ihren Familien und ihrer Umwelt, am Ende landen sie dann bei Gott oder dem Glauben an sich.
Das minimalistische Bühnenbild unterstützt die Konzentration auf die Figuren und überrascht auch – denn wer hätte gedacht, was ein Haufen Plüschtiere alles sein kann? Einzig das Ende bricht mit der unsentimentalen Grundstimmung des Stückes; eine Versöhnung wird hier angestrebt, die das Publikum nicht benötigt.
„Ich wollte ein Stück schreiben, das ich auch gerne sehen wollte“ sagt Amahl Khouri im Interview und es ist ein Stück geworden, das alle sehen sollten.