Theater Drachengasse // 14.01.2019// Tag des Zorns
Wenn die Inszenierung von Mercedes Echerer eine Farbe hätte, wäre es ein Grau, wie die raue Hauswand des Bühnenbildes, welche die Trostlosigkeit der ungarischen Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Betupft wäre das fade Grau aber mit kleinen grell-, farbigen Flecken, denn die unschlagbare Komik, die das gesamte Stück durchzieht, befreit die Zuschauer_innen gelungen für kurze Momente von der Anspannung der düsteren Thematik.
„Das ist der Tag des Zorns!“, dröhnt es mit einer Lautstärke durch ein Megafon, die den gesamten kleinen Zuschauerraum des Theaters in der Drachengasse erfüllt. Wütend sind die Menschen in Ungarn. Empört und erbost wegen der sozialen Missstände und der elenden Perspektivlosigkeit, die ihr Land regiert und die nach Hoffnung strebende Bürger_innen auslaugt und ausmerzt.
Ein Realitätsausschnitt der ungarischen Gesellschaft – der Protest zweier Krankenschwestern, die sich für mehr Anerkennung ihrer Arbeit einsetzen – wird zum Auftakt, aber auch zum Schlüsselmoment, des Stücks „Tag des Zorns“. Schauplatz ist ein Land politischer Instabilität, das aus vergangenem Kommunismus auf gegenwärtigen, beängstigenden Nationalismus zusteuert.
Im Zentrum des Geschehens steht dabei Krankenschwester Erzsébet, mit welcher der_die Zuschauer_in sofort mitfühlend sympathisiert. Bei ihrem Kampf gegen die schlechten Arbeitsbedingungen, trifft Erzsébet auf Verrat, Ausbeutung und die erfolgreiche Zerstörung von Solidarität und wird somit zur Inkarnation des kollektiven Schicksals einer Gesellschaft.
Pointierte Dialoge und eine bemerkenswerte Schauspielleistung eröffnet eine ergreifenden psychologischen Einsicht der Protagonistin, die immer wieder zwischen den Stühlen steht und sich in einem permanenten Interessenskonflikt bewegt: Gespalten zwischen zwei Generationen und zerrissen von dem aufflackernden Gefühl nach Aufbegehren und dem rationalen Drang nach Resignation.
Zum Treffpunkt des Generationskonflikts – verkörpert von den drei weiblichen Figuren, Erzsébet ihre Mutter und Tochter – wird ein Retrosofa. Schnell wird deutlich: Es ist nicht einfach, innerhalb einer Gesellschaft verschiedene Ansichten über Politik, Arbeit und die Rolle der Frau zu vereinbaren und an einem Strang zu ziehen.
Besonders unterhaltend ist der vielschichtige Rollenwechsel der beiden Schauspieler_innen Florian Carove und Julia Urban. Das schwindelerregende flotte Spieltempo, gepaart mit satirischen Elementen und dem trockenen Humor, sorgt für den ein oder anderen Brüller im Zuschauerraum.
Der Besuch der Aufführung ist eine wahre Bereicherung und vom tiefsten Herzen empfehlenswert: Der Text, gebettet in einen politischen Kontext von aktueller Brisanz, lässt uns für einen Abend Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse Ungarns gewähren. Und trotz erschütternder Thematik fehlt dem Stück nicht an Heiterkeit!